Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1899. (76)

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S. 58. 
Jedem Gefangenen wird, insoweit es die Art seiner Beschäftigung gestattet, die tägliche Arbeits- 
aufgabe, je nach seiner Tüchtigkeit, von dem Vorstand unter Zuziehung des betreffenden Unterbeamten 
so bestimmt, daß dieselbe nur mit Anstrengung der Kräfte geleistet werden kann. 
Die Vollendung der aufgegebenen Arbeit befreit jedoch den Gefangenen nicht von der Verpflicht- 
ung zum Fortarbeiten während der ganzen festgesetzten Arbeitszeit. 
Läßt die Art der Beschäftigung die Bestimmung einer täglichen Arbeitsaufgabe nicht zu, so ist 
durch regelmäßige Kontrolle dafür zu sorgen, daß der einzelne Gefangene täglich das leiste, was er 
nach seiner Körperkraft, Fähigkeit und Uebung bei angestrengter Thätigkeit zu leisten vermag. 
§. 59. 
Wer die Arbeit verweigert oder durch sein Verschulden Arbeitsrückstände erwachsen läßt, wird 
mit angemessener Disciplinarstrafe belegt. 
Der Ertrag der Arbeit gehört der Anstaltskasse. Es wird jedoch den fleißigen Gefangenen von 
dem Ertrag ihrer Arbeit ein Theil als Arbeitsbelohnung — „Nebenverdienst“ — bewilligt. Der 
Nebenverdienst beträgt höchstens 30 Pfennig für den Arbeitstag. Der Nebenverdienst wird von der 
Verwaltung nach Vernehmung des betreffenden Personals nach Maßgabe des Fleißes, des sonstigen 
Betragens und der Arbeitsleistung der einzelnen Gefangenen festgesetzt. Der Nebenverdienst soll den 
vierten Theil des Gesammtverdienstes des Gefangenen nicht übersteigen, darf jedoch dann, wenn der 
letztere unter 28 Pfennig täglich beträgt, bis zu 7 Pfennig angesetzt werden. Eine Erhöhung des 
Nebenverdienstes über den Betrag von 30 Pfennig täglich ist mit Zustimmung des Strafanstalten- 
kollegiums dann zulässig, wenn in Folge hervorragenden Fleißes eines Gefangenen der vierte Teil 
seines Gesammtverdienstes andauernd sich über den Betrag von 30 Pfennig erhebt. 
Für Arbeiten, welche hinter der gestellten täglichen Arbeitsaufgabe (§. 58) zurückbleiben, wird 
kein Nebenverdienst gutgeschrieben. 
Wegen üblen Betragens und wegen Unfleißes kann der Nebenverdienst zeitlich, übrigens längstens 
auf vier Wochen, ganz entzogen werden. 
S. 60. 
Von dem Nebenverdienst der Gefangenen muß jedenfalls so viel zurückgelegt werden, daß sie 
bei ihrer Entlassung die Mittel zur Bestreitung der Kosten der Heimreise besitzen. Auch ist geeigneten 
Falls ein Theil des Nebenverdienstes zur Instandsetzung oder Beschaffung der für den Gefangenen bei 
der Entlassung nothwendigen Kleidungsstücke zurückzulegen. 
Von den weiteren Ersparnissen, soweit sie nicht zur Tilgung während der Strafzeit entstandener 
Ersatzverbindlichkeiten nöthig sind oder zu Anschaffung erlaubter Genußmittel (§. 38) verwendet werden, 
dürfen die Gefangenen während der Dauer ihrer Strafzeit mit Bewilligung des Vorstandes nützliche 
Gegenstände, z. B. Bücher, andere Lehrmittel, Kleidungsstücke, Arbeitswerkzeuge, für sich anschaffen oder 
Unterstützungen an die Ihrigen absenden.
	        
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