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gesetzliche Bestimmung bestehe, welche die Auslieferung eines In-
länders untersage, wenn auch in den von der Schweiz geschlosse-
nen Auslieferungsverträgen regelmäßig der Vorbehalt gemacht sei,
daß Inländer nicht ausgeliefert würden. Der Gerichtshof legte
dann auf den Wortlaut des Art. XIII Gewicht. Dieser laute all-
gemein und unterscheide nicht zwischen Inländern und Ausländern.
Hätte die Schweiz die Verpflichtung, Inländer auszuliefern, nicht
übernehmen wollen, so hätte sie auf der Aufnahme eines desfall-
sigen ausdrücklichen Vorbehalts bestehen müssen, da es aus frühe-
ren Verhandlungen bekannt gewesen sei, daß die Vereinigten
Staaten keinen Auslieferungsvertrag schlössen, welcher nicht in
gleicher Weise die Auslieferung von Inländern wie von Ausländern
zusichere.
Außerdem nahm der Gerichtshof auf die Entstehungsgeschichte
Bezug und hob hervor, daß in einer den Vertrag betreffenden
Botschaft an die Kammern vom 3. Dez. 1850 bemerkt sei, der
Bundesrat habe es nicht für angebracht gehalten, auf einem der-
artigen Vorbehalt zu bestehen; dieses würde gänzlich nutzlos sein,
und es lägen keine hinreichenden Gründe dafür vor, lieber auf
jeden Auslieferungsvertrag zu verzichten, als in die Auslieferung
von Inländern, die schwerer Verbrechen beschuldigt würden, zu
willigen °.
Was Italien anlangt, so wurde im Jahre 1890 von der nord-
amerikanischen Regierung auf Grund des Auslieferungsvertrages
von 1868 ein Auslieferungsersuchen an die italienische Regierung
gerichtet. Diese lehnte den Antrag ab, da die Person, deren
Auslieferung verlangt werde, Italiener sei und die italienischen
Gesetze die Auslieferung von Inländern untersagten ; in Italien
würden dagegen Inländer auch wegen der im Auslande begange-
nen strafbaren Handlungen bestraft. Die Regierung der Ver-
einigten Staaten beruhigte sich dabei nicht, sondern richtete am
8 MooRE, Digest of International Law IV, 298 f£.; Moorz, On Extradi-
tion I, 172 ff.; Revue de Droit international XII, 304.