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scheint, ist vom Standpunkt politischer Zweckmäßigkeit überhaupt
nicht diskutabel. Der Gegensatz zwischen Rechtmäßigem und
politisch Zweckmäßigem ist ja nicht allzuselten, er tritt nur hier
ganz besonders kraß in die Erscheinung. Die Möglichkeit, eine
konstitutionelle Monarchie in eine Republik umzuwandeln, ist
zweifellos auf legalem Wege wie irgendeine andere Verfassungs-
änderung rechtlich möglich. Welcher Politiker wird aber diesen
Weg einzuschlagen versuchen? Es ist freilich die schwerste Ver-
kennung der Jurisprudenz und ihrer Aufgaben, wenn man der
juristischen Lösung eines juristischen Problems politi-
sche Unbrauehbarkeit vorwirft. Damit lehnt man ja schon von
vornherein eine juristische Lösung ab. Und es ist der ärgste
Mißbrauch mit den Normen des Rechtes, wenn man für eine nur
nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen orientierte Lösung
trotz des offenkundigen Widerspruchs zu den Normen des posi-
tiven Rechtes juristischen Charakter in Anspruch nimmt.
$9. Die Reichsverfassung vom Dezember 1867
als Ausgangspunkt der juristischen Kon-
struktion.
Ein Ausweg aus diesem Dilemma zwischen Recht und
Politik scheint sich dann zu ergeben, wenn man zum Aus-
gangspunkt der juristischen Betrachtung nicht das Februarpatent
mit seinen Beilagen von 1861 nimnit, sondern als oberste, nicht
weiter ableitbare Verfassungsrechtsnorm das Grundgesetz über
die Reichsvertretung vom Dezember 1867 gelten läßt. Schon an
früherer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß es stets mehr oder
weniger willkürlich sei, an welchem Punkte die juristische Kon-
struktion ihre Kontinuität beginnen läßt. Es ist stets eine meta-
juristische, im Grunde eine politische Frage, welche Norm man
derart als letzte oder oberste ansehen wıll, daß man auf eine
weitere juristische Rechtfertigung ihrer Geltung verzichtet. Ir-
gendwo muß jede juristische Betrachtung auf einen solchen letzten