Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

442 Frankreich. (September 18.—19.) 
wollen wir heute? Das Recht! Frankreich will niemandem Gewalt antun; 
es fordert nur das Recht, und wenn man es nicht hört, dann sprecht mir 
nicht von einem auf das Recht gegründeten Frieden, von einer Gesellschaft 
der Nationen und von einem dauerhaften Frieden, denn tot wäre er von 
vornherein, dieser schon beim Abschluß durch Ungerechtigkeit vergewaltigte 
Friede! Wenn wir vor der Welt die Rückgabe von Elsaß-Lothringen for- 
dern, so sind wir Vorkämpfer des verletzten Rechtes und fordern von der 
Welt die unentbehrliche Vorbedingung für einen dauerhaften Frieden, die 
Gutmachung der vor 45 Jahren begangenen Ungerechtigkeit, die 45 Jahre 
hindurch auf der Welt gelastet hat, — und wenn man das nicht gewährt, 
so gewährt man nichts; das würde einen Waffenstillstand für einige Jahre 
bedeuten, während wir alle unsere Opfer nicht vergebens gebracht haben 
werden, wenn wir den Frieden auf das gründen, was ewig ist: Gerechtig- 
keit und Recht. Die Zurückgabe von Elsaß-Lothringen genügt 
nicht; wir fordern Wiedergutmachung. Nicht Rache erstreben wir, 
die Strafe, die wir unseren Angreifern aufzuerlegen wünschen, ist keine 
Geldstrafe, sondern Ersatz für die frevelhaften Zerstörungen, die sie an- 
gerichtet haben. Könnten wir erhobenen Hauptes in diese verwüsteten Ge- 
biete zurückkehren, welche die Male der Barbarei tragen, wenn wir für die 
Opfer nicht den schuldigen Ersatz gefordert hätten? Ich habe hinzugefügt, 
daß auch Bürgschaften nötig seien, die in der Gesellschaft der Völker als 
solcher liegen. Welchen Wert würde die Unterschrift der deutschen Regie- 
rung haben, wenn hinter der ihrigen nicht die Unterschrift des deutschen 
Volkes selber stünde? Aus Ihrem Beifall ersehe ich, daß ich Ihre Erwar- 
tungen nicht getäuscht habe. Frankreich hat den ersten Stoß der Barbarei 
aushalten müssen. Seine Opfer geben ihm das Recht, sein Haupt hoch zu 
tragen; es verdient die Ausdrücke der Bewunderung, die ihm die Welt so 
reichlich zollt. Wir werden den Abschluß dieses Krieges erreichen, wenn 
wir uns nicht in den Schlingen fangen lassen, die man uns stellen wird. 
Wenn wir dem Papste nicht geantwortet haben, so befinden wir uns im 
Einklang mit unseren Alliierten. Was sollen wir auch — trotz des hohen 
Ansehens des Papstes — auf alle diese Einladungen zu Verhandlungen ant- 
worten? Wo wünscht man besonders, daß wir antworteten? Dort, wo man 
nicht hat antworten wollen! Als Wilson uns nach unseren Kriegszielen 
fragte, haben wir geantwortet! Wer aber hat nicht geantwortet? Die Mittel- 
mächte! Es wird angekündigt, daß sie dem Papste antworten werden; 
warten wir diese Antwort ab, — aber es ist wohl getan, wenn wir sagen, 
daß selbst in der Note des Papstes das, was Belgien angeht, weit davon 
entfernt war, das Gewissen der Welt zu befriedigen. Ja! man soll uns 
sagen, was man will. Geht man darauf ein, uns Elsaß-Lothringen zurück- 
zugeben? Geht man auf die Wiedergutmachungen und auf die Gesellschaft 
der Nationen ein? Man soll es sagen, wir brauchen die Gewißheit, daß 
man uns nicht in eine Falle verstrickt. 
Zum Schluß erklärt Abg. Renaudel (Soz.), die Soz. hätten nicht 
aus Antipathie am Kabinett nicht teilgenommen. Die Soz. wollten wissen, 
ob das Programm des Kabinetts demjenigen der Soz. entspreche. Ribot 
sei weniger weit gegangen als Painlevé., Es scheine, daß Painlevé jetzt 
nicht sagen wolle, welches die Kriegsziele Frankreichs seien. Ob man denn 
abwarten müsse, bis Deutschland militärisch zerschmettert sei, um die Be- 
dingungen des Rechtes bekanntzugeben, wenn man nicht einmal wisse, ob 
Deutschland sie annehmen werde? (Lebhafte Bewegung und Rufe im Zen- 
trum und auf der Rechten.) Die ministerielle Krise sei erfolgt, weil das 
Volksgefühl eine kräftigere Kriegführung forderte. Das Kriegskomitee Pain- 
levés entspreche den Erfordernissen der Zeit nicht. Es bestehe aus lauter
	        
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