9 8 6. Das Wesen der landesfürstlichen Familiengewalt.
auch leicht erklärlich. Die Familiengewalt ist Ausfluß von
Staatsgewalt; über die anderen selbstregierenden Linien be-
sitzt der Familienchef aber keine Staatsgewalt. Stehen ihm
materielle Rechte zu, so führen sie auf freiwillige Einräumung
von unten oder besondere Hausobservanz zurück.
ß) Dasselbe gilt aber für die ehemals regierenden Häuser,
also für die Häuser Hannover, Kurhessen, Nassau, Hohen-
zollern und Schleswig-Holstein. Letzteres war bis 1863 regie-
rendes Haus in seiner Eigenschaft als Zweig des dänischen
Königshauses in dessen Eigenschaft als herzogliches Haus
von Schleswig-Holstein. Es bildete die jüngere königliche
(oder Sonderburger) Linie. Aber die Ältesten dieser Ge-
schlechter besitzen keine Familiengewalt. Sie haben noch den
Rang von Familienchefs; denn das Prinzip der Primogenitur
ist erhalten geblieben; aber Familiengewalt fehlt ihnen.
Deutlich zeigt dies die Umgestaltung der Hausgesetz-
gebung der fürstlichen Familie Hohenzollern.
Nach dem Hausgesetze vom 24. Januar 1821 (Schulze III
760 ff.) besitzt der regierende Fürst von Sigmaringen eine
„väterliche Gewalt“ über sämtliche Glieder des Hauses als
Familienoberhaupt, als deren Inhalt vornehmlich das Recht
des Konsenses zum Eintritte in fremde Dienste, zum Aufent-
halte im Auslande und — ausnahmsweise — auch zur Ein-
gehung von Heiraten angegeben wird. In dem Nachtrage zu
diesem Gesetze vom 26. März 1851 (Schulze III 776), also
nach Abtretung der Staatsgewalt an Preußen, bemerkt der
Fürst in Art. 1: „Mit der erfolgten Abtretung der Souveränitäts-
rechte über Unser Fürstentum an die Krone Preußen und
Unserer erklärten Unterordnung unter die unmittelbare Re-
gierung Seiner Majestät des Königs von Preußen ist für Uns
die Ausübung der vorstehend bezeichneten Vorrechte — es
sind die drei obengenannten Konsensrechte — unvereinbar
geworden. Wir übertragen deshalb die Uns in Unserer Eigen-
schaft als regierendem Fürsten nach dem eingangs bezeichneten
Haus- und Familienstatute zuständigen Rechte auf Seine
Majestät den König von Preußen als Haupt des Gesamthauses
Hohenzollern dergestalt, daß Allerhöchst denenselben fortan
die ausschließliche Bestimmung über den Eintritt des jedes-