92 $ 6. Das Wesen der landesfürstlichen Familiengewalt.
des Herzoglich Gottorpischen Hauses vor ihrem Erlöschen
sufhören, die Regierung im Großherzogtum Oldenburg aus-
zuüben — gedacht ist hier wohl kaum an den rein akademischen
Fall, daß das Haus Holstein jetzt schon sein 1863 unbedingt
gewordenes Heimfallsrecht an Oldenburg und Delmenhorst
geltend macht, als vielmehr daran, daß die jüngere (sogen.
russische) Linie des Großherzoglich oldenburgischen Hauses
auf die Nachfolge im Großherzogtume verzichtet —, so steht
die Eigenschaft eines Oberhauptes des Großherzoglichen Hauses
dem bisherigen regierenden Großherzog und nach dem Abgange
desselben demjenigen Prinzen zu, welcher durch die Erbfolge-
ordnung zur Regierung im Großherzogtume berufen sein würde.“
Keineswegs will damit bestimmt sein, daß das Familienhaupt
dann auch die ihm nach dem Hausgesetze zukommenden
„Machtbefugnisse“ (Art. 6) als Oberhaupt des Hauses behalte.
Art. 7 desselben sagt: „Die dem Großherzog im Verhältnis
zu den Mitgliedern des Großherzoglichen Hauses zustehenden
Berechtigungen werden während der Dauer einer Regentschaft
von dem Regenten ausgewählt.“ Unter allen Umständen kann
sie also lediglich jemand ausüben, der Träger oder oberster
Ausüber von Staatsgewalt ist.
II. Bildet die skizzierte Familienaufsicht auch eine Zx-
behörung!) der Staatshauptstellung, so folgt hieraus noch
keineswegs, daß sie nur durch Staatsrecht geregelt zu sein
vermag. Der Staat kann sie ordnen, aber er muß es nicht.
Es ist statthaft, daß er die Ordnung ihres Rechtes auch
anderer rechtsetzender Macht überläßt, und welche läge hier
näher als das Haus, die fürstliche Familie, da doch eine
Rechtsstellung in Frage steht, welche das Staatshaupt in
seiner Eigenschaft als Familienhaupt einnimmt?
A. Beides begegnet in unseren Verfassungsurkunden.
1. Der eine Teil derselben — d.h. Bayern, Oldenburg,
Waldeck, Schaumburg-Lippe — drückt sich folgendermaßen
aus: „Die übrigen Verhältnisse der Mitglieder des königlichen
Hauses richten sich nach den Bestimmungen des pragmatischen
Familiengesetzes“ (bayer. Verf. Tit. II 58), bezw. „Im Übrigen
!) Siehe Begriff des landesherrlichen Hauses u. es. w. 8. 30.