8 20. Heilung von Erwerbamängeln. 195
rührung. Anders, wenn der Fürst noch jüngere ebenbürtige
Brüder besitzt. Dann treten sich jüngere und ältere Rechte
gegenüber. Nach dem Prinzip der Nichtrückwirkung gehen
die älteren vor.
3. Beide Erscheinungen vereinigt der Fall Leutenberg in
sich. Prinz Sizzo von Leutenberg war zweifellos ein uneben-
bürtiger Sprosse des Hauses Schwarzburg-Rudolstadt. Er ist
der Sohn des 1867. gestorbenen Fürsten Friedrich Günther
von Schwarzburg-Rudolstadt aus der Ehe mit Helene Gräfin
von Raina, welch letztere um deswillen standesungleich war,
weil sie einer morganatischen Ehe des Prinzen Georg von
Anhalt-Dessau mit einem Fräulein von Erdmannsdorff ent-
stammte. Die Erhebung des Prinzen Sizzo zum Agnaten des
Hauses Schwarzburg-Rudolstädter Linie verletzt bezüglich der
Regierungsnachfolge in Sondershausen keine agnatischen Rechte.
Denn hier bleibt das Thronfolgerecht des Bruders des Fürsten,
des Prinzen Leopold, unberührt. Wohl aber verletzt sie die
Rechte vorhandener Agnaten in Rudolstadt, wenn der neue
Rudolstädter Agnat den daselbst nach Aussterben des Mannes-
stammes sukzessionsberechtigten beiden Sondershauser Ag-
naten vorgehen soll.
B. 1. Solche Rechte vorhandener Mitglieder stellen mit
der Hausmitgliedschaft verknüpfte Sonderrechtsverhältnisse
dar. Sonderrechtsverhältnisse der Mitglieder unterliegen an
sich der hausgesetzgebenden Gewalt, aber doch nur, soweit
erst zu begründende Verhältnisse in Frage stehen. Schon be-
gründete Sonderrechtsverhältnisse sind als erworbene Rechte
unantastbar (siehe G%erke, Deutsches Privatrecht I S. 152).
Sollen sie verändert werden, so bedarf es demgemäß der Zu-
stimmung der Betroffenen. M. a. W.: zum Akt der Hausgesetx-
gebung mu/s die Zustimmung der dadurch betroffenen Agnaten
hinzutreten, soll das Gesetz rückwirkende Wirkung erhalten.
Von diesem Gesichtspunkte aus waren die Ehepakten des
Fürsten Friedrich Günther von Schwarzburg-Rudolstadt mit
der Gräfin von Raina vom 24. November 1855 rechtsunwirk-
sam. In ihnen wurde festgesetzt‘), daß der Deszendenz aus
!) Siehe auch Löning 8. 44 und Eingang der Anerkennungsurkunde
vom 21. April 1896 (Gesetzesslg. f. Rudolst. 1896 B. 69). .
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