372 8 41. Die öffentlichen Rechte des landesherrlichen Hauses.
C. 1. Wie schon S. 88 und 121 dargelegt, bildet die Gerichts-
barkeit, welche dem regierenden Herrn über die Hausmitglieder
vorbehalten ist, keinen Bestandteil seiner „besonderen Haus-
gewalt.“ Sie bildet keine Pertinenz der Staatshauptstellung,
sondern ein Stück derselben, ist Staatsgerichtsbarkeit. Der
Landesherr ist grundsätzlich durch die Verfassungen ermächtigt,
sie allein — d. h. durch Verordnung — zu normieren. Es
geschah regelmäßig in äußerer Verbindung mit dem Erlaß
des echten Hausgesetzes, d. h. in einer Urkunde mit diesem,
in einer Staatsverordnung für das Haus. Vgl. bayer. Verf.
Tit. II $ 8: „Die übrigen Verhältnisse der Mitglieder des könig-
lichen Hauses — auch ihre Rechtsstellung «m Staate —
richten sich nach den Bestimmungen des pragmatischen Familien-
gesetzes“. Obwohl an sich nicht notwendig, hat der Fürst zu-
meist an der Herstellung dieser Verordnung die Agnaten teil-
nehmen lassen, ebenso, wie es auch vorkommt, daß eine
staatliche Angelegenheit, die der Monarch allein zu regeln
vermöchte, unter Mitwirkung der Volksvertretung geordnet
wird.
2. Die Ordnung ist nun zumeist die, daß in Angelegen-
heiten des Privatrechts der Mitglieder ein höheres staatliches
Zivilgericht als Sondergerichtshof erster Instanz bestellt wird,
in allen anderen Angelegenheiten dagegen der regierende
Herr selbst die Ausübung der Gerichtsbarkeit übernimmt
(Kabinettsjustiz). Jedoch beides mit einer Einschränkung: der
Fürst reserviert in größerem oder geringerem Umfang sich die
Befugnis, wichtige Rechtsstreitigkeiten durch einen Familienrat
als obersten Hausgerichtshof entscheiden zu lassen. Selbst-
verständlich vermag dies der Landesherr nur soweit, als der
Gerichtsstand der Hausmitglieder nicht durch ein formelles
Gesetz seine Regelung erhielt. Und immer behielt sich der
regierende Herr die Bestätigung der Entscheidung vor, so
daß dieselbe dem Namen Familienrat entsprechend juristisch
nur den Charakter eines Rechtsgutachtens besitzt. Vgl. über
das bayer. Recht z. B. bayer. Fam.-Statut Tit. X 8 4ff. und
dazu Seydel I $ 63 8. 213.
3. Ist ein Familienrat als solch besonderer Hausgerichtshof
bestellt, so liegt Delegation von sStaatshoheitsrecht an eine