Full text: Modernes Fürstenrecht

$ 50. Der Thronfolgeverzicht auch für Nachkommen. 415 
ist, es unterlassen konnte, eine Vorschrift darüber aufzustellen, 
wer zur Nachfolge berufen ist, wenn dem Verzichtenden 
nach seiner Verzichtsleistung noch Abkömmlinge erblühen. 
Zweifellos würden sie berufen sein, wenn unterdessen eine 
Thronerledigung noch nicht eintrat. Aber wenn das Gegen- 
teil geschah und die Krone schon auf eine andere Linie über- 
ging, was dann? Springt in diesem Falle die Krone sofort 
auf die Nachgeborenen. zurück oder erst beim nächsten 
Tbronfall oder erst, wenn die neue Linie erlischt? Seydel, 
Bayer. Staatsrecht $ 60 meint letzteres. Dies verlange der 
Grundsatz der Linealfolge.. Allein es gilt doch Linealfolge 
nach Erstgeburt. Das Prinzip ist gültig für das Vorgehen 
der älteren Linie gegenüber der jüngeren, nicht aber um- 
gekehrt für das Vorgehen der jüngeren Linie im Verhältnis 
zur älteren. Also Unsicherheit über Unsicherheit und dies, 
trotzdem solche Verzichte auch für die künftigen Nach- 
kommen nach geschichtlicher Erfahrung eine nicht seltene 
Erscheinung darstellen. Der im übrigen eine feste Thron- 
folgeordnung so sorgfältig erstrebende Gesetzgeber kann 
diese Erscheinung nicht übersehen haben. Wenn er trotz- 
dem keinen besonderen Rechtssatz bringt, so gibt er eben 
damit das als zu recht bestehend zu erkennen, was der 
Thronfolgereihe alles Sprunghafte nimmt und ihr dadurch 
Sicherheit verleiht: der Vorfahre kann zum Nachteil noch 
unerzeugter (bezw. unempfangener) Abkömmlinge auf An- 
wärterrechte verzichten. 
b) Das gleiche folgt aber auch aus dem Wortlaut der 
Verfassungsurkunden. Sie erklären die Krone für erblich ım 
Hause des ersten Erwerbers. Erblich heißt hier: das Recht 
zur Krone wird durch Geburt übertragen. Ererbt in diesem 
Sinne, durch Geburt erworben kann aber nur eine Eigen- 
schaft werden, welche die Eltern zur Zeit der Zeugung, bezw. 
Empfängnis noch besaßen. Haben sie dieselbe zu jenem 
Zeitpunkte infolge Verzichts schon verloren, dann können die 
nachher Geborenen sie auch nicht mehr ererben. 
2. a) In der Tat begegnen demgemäß fortgesetzt Ver- 
zichte auch für unerzeugte Nachkommen, ohne daß irgend 
jemand in der Praxis an solcher Rechtsgültigkeit zweifelte.
	        
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