Full text: Modernes Fürstenrecht

418 8 51. Der Thronanfall. 
B. Dieser Grundsatz des ipso jure Erwerbs der Krone 
war bis vor kurzem unbestritten. In einer anonymen Ver- 
öffentlichung der letzten Jahre hat er Anfechtung erfahren. 
Die betreffende Studie „Die Thronfolge als Willensakt. Von 
einem Sozialmonarchisten“!) betrachtet die Frage lediglich 
vom Standpunkte des bayerischen Staatsrechtes, d. h. führt 
nur aus diesem ihren Beweis. Sie war — angeregt durch 
die besonderen Begebenheiten in Bayern damals — bereits 
1886 entworfen, wurde aber erst — in umgearbeiteter Dar- 
stellung — 1900 der Öffentlichkeit übergeben. Ihr Resultat 
ist juristisch unannehmbar. Trotzdem verdient sie Beachtung 
ob ihres Scharfsinns und der Konsequenzen, zu welchen sie 
führt. 
1. a) Die Schrift argumentiert folgendermaßen: Nach 
Tit. IH 8 1 der Verfassungsurkunde für Bayern „vereinigt der 
König alle Rechte der Staatsgewalt in sich“; er trägt in sich 
also auch das Recht der Gesetzgebung. Der Wille des Königs, 
wenn auch nur mit Zustimmung des Landtags, schafft die 
gesetzlichen Normen; der Wille des Königs geht demnach 
begrifflich der Rechtsordnung voran; er ist der Erzeugende, 
die Rechtsordnung das Erzeugte. Der Wille des Königs kann 
daher kein von der Rechtsordnung aufgezwungener sein; der 
Träger eines solchen Willens wäre ja nur das willenlose 
Werkzeug einer ikm vorausgehenden höheren Gewalt; er 
könnte unmöglich von sich sagen, daß er alle Rechte der 
Staatsgewalt in sich vereinige. Um sohin als König im Sinne 
der Verfassungsurkunde zu gelten, muß der verfassungsmäßig 
berufene Thronfolger notwendig seinen Willen auf den Besitz 
der Staatsgewalt richten und entsprechend betätigen; zur 
Thronfolge gehört wesentlich ein Willensakt. Wer die oberste 
Gewalt der Gesetzgebung in sich trägt, kann nicht König 
„von Rechts wegen“, d. h. zufolge rechtlicher Notwendigkeit 
sein. Wie wir die Sache formulieren wollen: Der Thron- 
folger wird Herrscher nicht mit dem Anfall, sondern erst durch 
seinen Regterungsantritt. „Der Satz, daß der Anfall der Krone 
ı) Von demselben auch: „Entwurf eines Wahlgesetzes nach dem Grund- 
satze der verhältnismäßigen Vertretung‘. München 1899.
	        
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