Full text: Modernes Fürstenrecht

8 54. Vormundschaft, Pflegschaft und Regentschaft, 433 
Abkömmlinge bildet im Verhältnis zum Vorrecht der Erstge- 
burt das sekundäre Thronfolgeprinzip. 
B. Hieraus ergeben sich zwei Folgerungen: 
1. Aus diesem Grunde endet sofort die Herrschaft eines 
Gliedes der eben zum Ältestenrecht aufgerückten jüngeren 
Linie, wenn nachträglich noch ein sukzessionsfähiges Mitglied 
der ausgeschiedenen bisherigen Vorlinie erscheint. Möglich 
ist letzteres bei Übergang der Krone auf eine jüngere Linie 
infolge Ausscheidens der älteren Linie, aus welchem Grunde 
dasselbe immer erfolgte, sei es wegen Aussterbens oder wegen 
Absetzung oder wegen Abdankung. 
2. Aus gleichem Grunde ist es möglich, daß jemand nur 
im Range ausweicht, d. h. sich vertragsmäßig gegenüber dem 
Nachmann vorbehält, den Verzicht vor Anfall, die Aus- 
schlagung nach Anfall, die Abdankung nach Regierungsantritt 
zu widerrufen. Die in der Praxis so vielfältig begegnende 
Rangausweichung ist der stärkste Beweis für den Vorrang 
des Primogeniturprinzips vor dem Grundsatz der linealen 
Folge. 
2. Vormundschaft, Pflegschaft und Begentschaft. 
$ 54. 
I. Vollkommen zutreffend ist es heute, zu sagen: die 
Regentschaft ist keine Vormundschaft über das Staatshaupt, 
sofern man dadurch klarlegen will, daß die Sätze des bürger- 
lichen Rechts über Vormundschaft auf die Reichsverwesung 
nicht angewendet werden dürfen. Keineswegs wäre es aberrich- 
tig, damit ausdrücken zu wollen, Regentschaft und Vormund- 
schaft seien sich nicht wesensähnlich. Die herrschende Lebre 
freilich scheint zu einer derartigen Auffassung geneigt. Man 
vergleiche z. B. Anschütz S. 676 oben, Gg. Meyer S. 251. 
Statt dessen gilt auch in der Gegenwart noch: würde das 
konstitutionelle Staatsrecht nicht ein besonderes Institut der 
Regentschaft geschaffen haben, so fele auch noch in unseren 
Tagen die Ausübung der Regierung für den minderjährigen 
Monarchen unter die mütterliche Gewalt bezw. die Minder- 
jährigenvormundschaft, die Regierungsausübung für den ent- 
Rehm, Modernes Fürstenrecht. 08
	        
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