& 3. Das Recht am Throne, nicht durch den Staat entziehbar. 61
diese Umbildung dann in der Weise geschehen, daß die ge-
nannte russische Linie von der Regierungsnachfolge ausge-
schlossen würde, so wäre dieser Ausschluß ohne Zustimmung
der Beteiligten erfolgt. Ein Staat könnte also niemals davor
sicher sein, daß infolge Rücknahme von Verzichtserklärungen
sich den staatlichen Frieden störende politische Streitigkeiten
um die Krone ergeben, ein den praktischen Bedürfnissen wohl
kaum entsprechendes Resultat.
ß) Aber wenn solch praktisch bedenkliche Ergebnisse die
herrschende Lehre nicht an der Richtigkeit ihrer Meinung
zweifeln ließ, wie kam sie dann über den Widerspruch mit
der historischen Tatsache hinweg, daß die Dymastien den
modernen Staat geschaffen haben und nicht die Staaten die
Dynastien? Ist Staatsrecht denn nicht ein Niederschlag der
politischen Geschichte? ihr unterworfen, nicht deren Meister?
Schücking kommt über dies Bedenken freilich leicht hin-
weg. Trotzdem er nicht leugnen kann, daß es die Fürsten
sind, welche den Staat von heute schufen (S. 15, 50), be-
merkt er: „Was die deutschen Fürsten heute sind, das ver-
danken sie dem Erwachen des Staatsgedankens" (S. 50).
Allein in wem ist er denn erwacht, wem verdanken wir denn
die durchschlagende Kraft des Staatspersönlichkeitsgedanken ?
Doch eben jenen Fürsten, den Hohenzollern, von jenem ersten
Hohenzollern angefangen, der sich als „Gottes schlichten
Amtmann an dem Fürstentume“ bezeichnet, bis zu dem un-
mittelbaren Vorgänger Friedrichs des Großen, Friedrich Wil-
helm I., der sich selbst nur „wie einen Amtmann von Wuster-
hausen oder einen Obersten“ betrachtete, und dann Friedrich
dem Großen selbst mit seinem Worte vom Fürsten als dem
premier serviteur de !’Etat!)? Also wenn ?r» den Fürsten
dieser Gedanke wach wurde, wer hat dann den modernen
Staat geschaffen? und wessen Gedanken in erster Linie werden
daher seiner Rechtsordnung innewohnen?
Niemand so eindringlich als Jelknek in seiner Allgemeinen
Staatslehre, S. 111, hat in allerjüngster Zeit unter den Ver-
!) Rehm, Allgemeine Staatslehre 8.231 und 176; Anschüts 8. 456 und
565; Schücking S. 15.