8 6. Das Wesen der landesfürstlichen Familiengewalt. 87
ausdrückliche Erlaubnis der Fürsten in einen fremden Staat
sich begeben, 3. überhaupt steht dem Fürsten zu, alle zur
Erhaltung der Ruhe, Ehre, Ordnung und Wohlfahrt des
Hauses dienliche Maßregeln zu ergreifen (Tit. IV’ $1—3). Ähn-
lich— dabei zum Teil weitergehend — lauten die Bestimmungen
des hannoverschen (2. Kap. $1 u. 2, Kap. 7 $ iff., Kap. 8
$ 2ff.), des oldenburgischen (Art. 6, 12, 13, 14), des könig-
lich sächsischen ($ 4ff.), des koburg-gothaischen (Art. 82 ff.)
und des württembergischen (Art. 9ff.) Hausgesetzes. Allge-
mein — demgemäß auch für Bayern, obwohl äußerlich im
Hausgesetz davon getrennt — hat als Bestandteil der
Familiengewalt auch noch die Befugnis zu gelten, den
Familienangehörigen die Heiratsbewilligung zu gewähren. Das
braunschw.-lüneb. Hausgesetz vom 19. Oktober 1833 bezeich-
net sie direkt als „Aufsicht über die Vermählungen“.
Alle diese Befugnisse fehlen grundsätzlich nach dem
Rechte vor Reichsauflösung. Es ıst nicht richtig, wie Meyer
$ 228 schrieb, daß die Agnaten da schon einer Familiengewalt
unterlägen wären. Der Landesherr besaß grundsätzlich nur
eine väterliche Gewalt über seine Abkömmlinge, keine Gewalt
gegenüber seiner Gemahlin und den Seitenverwandten in den
„das Lustre seines Hauses betreffenden Sachen“; er ıst kein
Obervormund der Agnaten, hat kein Konsensrecht über sie;
das Prädikat „Familienhaupt“ ist lediglich ein „Titul“'). Nur
ausnahmsweise finden sich solche Rechte (Konsensrechte),
ebenso wie ausnahmsweise, aber ohne dauernden Erfolg, bei
Einführung der Primogenitur der Versuch gemacht wurde,
die nachgeborenen Söhne dem regierenden Herrn als Unter-
tanen zu unterwerfen. Albrecht IV. von Oberbayern z.B.
war es, welcher bei Einführung der Primogenitur 1506 ver-
fügte, die nachgeborenen Söhne sollten, wie die anderen
Landsassen (Adeligen), dem regierenden Fürsten unterworfen
sein ?), aber ohne daß er dies als dauernde Institution zu schaffen
vermocht hätte. Sonst wäre nicht möglich, daß im „Pfalz-
1) Vgl. Moser, Familienstaatsrecht Teil II 8. 910, 908, 906.
2) Rehm, Staatarechtliche Stellung des Hauses Wittelsbach 8. 31
Anm. 13. |