258 3. Abthl. Die Ehrengerichte. Die Militärgerichtsverwalt. u Gefängnißwes.
§. 60. In den Fällen des §. 51 Ziff. 3 und 4 unterliegt der ehren-
gerichtliche Spruch der Entscheidung des Kriegsministeriums, in den Fällen
Ziff. 5 und 6 der allerhöchsten Entschließung S. M. des Königs.
Die erfolgende Entscheidung wird dem Angeklagten nebst dem Spruch
des Ehrengerichts bekannt gegeben.
§. 62. Gegen einen ehrengerichtlichen Spruch, über welchen bereits
Entscheidung getroffen worden, ist ein weiteres Verfahren nur mit aller-
bochster Genehmigung bezw. der Genehmigung des Kriegsministeriums
zulässig.
(Das ehrengerichtliche Verfahren darf nie dazu benutzt werden, um Disziplinar-
einschreitungen aus dem Wege zu gehen.
Den Ehrengerichten der Landwehrbezirke haben auch die zur Dienstleistung
vorübergehend dahin kommandirten Offiziere des aktiven Dienststandes beizutreten,
wogegen sie selbst während der Dauer dieses Dienstverhältnisses dem Ehrengerichte
ihres Truppentheils unterstellt bleiben.
Ueber die Eröffnung ehrengerichtlichen Verfahrens ist jedesmal dem Kriegs-
ministerium unter kurzer Darlegung der veranlassenden Thatsachen Bericht zu
erstatten.
Werden nach F. 44 die Akten an die detachirten Bataillone oder Abtheilungen
geschickt, so ist die persönliche Anwesenheit zum Zwecke der mündlichen Vertheidigung
dem Angeklagten hier gleichfalls unbenommen.
Die Bestimmung des F§. 47 (Schlußsatz) hat zum Theil auch in finanziellen
Rücksichten ihren Grund, insofern die Versammlung der Ehrengerichtsmitglieder
eines Landwehrbezirks außer der Uebungszeit ohne erhebliche Kosten nicht ausführbar
ist. Von der Delegirung eines andern Ehrengerichts ist in denjenigen Fällen ab-
zusehen, wenn die Aburtheilung bis zur nächsten Landwehrübung ausgesetzt werden
kann, ohne das dienstliche oder Standesinteresse zu gefährden.
Der Kommandeur ist befugt, wie jedes andere Mitglied (6. 50) seine Ansicht
über die Sachlage auszusprechen und darauf hinzuwirken, daß ein entsprechendes
Resultat erzielt wird; er vermeidet aber sorgfältig jede direkte oder indirekte Ein-
wirkung durch Geltendmachung seiner dienstlichen Autorität. K.-M.-R. vom
1. Septbr. 1874, Nr. 15926.
Die ehrengerichtlichen Untersuchungen sind kosten= und stempelfrei zu behandeln
und etwaige baare Auslagen vom Militärärar zu übernehmen. K.-M.-R. vom
1. Septbr. 1874, Nr. 15927.
Reisen der Mitglieder des Ehrenraths vom Offizierskorps des Beurlaubten-
standes sind möglichst zu vermeiden. K-M.-R. vom 11. Dezbr. 1875, Nr. 16814.)
II. Abschnitt.
Das Reichsmilitärstrafgesetz.
Einführungsgesetz zum Militärstrafgesetzbuche für das Deutsche Reich.
(Vom 20. Juni 1872.)
8. 1. Das Militärstrafgesetzbuch für das deutsche Reich tritt im
ganzen Umfange des Bundesgebietes mit dem 1. Oktober 1872 in Kraft.
8. 2. Mit diesem Tage treten im ganzen Bundesgebiete alle Mili-
tärstrafgesetze, insoweit sie materielles Strafrecht zum Gegenstande haben,
außer Kraft.