Full text: Heerwesen und Dienst in der königlich bayerischen Armee.

288 3. Abthl. Die Ehrengerichte. Die Militärgerichts verwalt. u. Gefängnißwes. 
Der Gerichtsherr hat nach Anhörung des Auditeurs sich darüber 
schlüssig zu machen, ob die Sache disciplinär zu behandeln, ob sie vor das 
Untergericht oder das Militärbezirksgericht zu bringen sei. 
Im letzteren Falle ordnet er die Einleitung der Voruntersuchung an.“) 
Hinsichtlich der Untersuchungshandlungen und des Prozeßverfahrens ist 
der Auditeur als Untersuchungsrichter selbstständig und allein verant— 
wortlich, macht auch sofort nach Eröffnung der Voruntersuchung dem 
Staatsanwalte am Militärbezirksgerichte Mittheilung. 
Der Kommandeur ist jedoch berechtigt, über den jeweiligen Stand der 
Untersuchung durch Einsichtnahme von den Akten sich Kenntniß zu verschaffen. 
Hat der Untersuchungsrichter in Betreff der Einleitung oder Unter- 
lassung der Voruntersuchung rechtliche, oder der Kommandeur gegen 
den Vollzug einer Verfügung des Untersuchungsrichters dienstliche Be- 
denken, so holt er im einen wie im anderen Falle die Entscheidung 
des Militärbezirksgerichtes ein, welches in einem Senate, bestehend aus 
dem Direktor, 1 Offizier und 1 Auditeur, beschließt. 
Der Vollzug einer Verhaftung oder einer anderen Maßregel, bei 
welcher Gefahr auf dem Verzuge steht, wird jedoch nicht aufgeschoben. 
(In Untersuchungshaft wird genommen wer eines mit Todesstrafe oder mehr 
als 10 jähriger Zuchthaus= oder Gefängnißstrafe oder Festungshaft bedrohten Ver- 
brechens dringend verdächtig ist, und aufgegriffene Deserteure. 
Die Verbringung einer eines Vergehens oder Verbrechens angeschuldigten Militär- 
person in Untersuchungshaft kann aber noch verfügt werden: 1) wenn sie die Flucht 
ergriffen oder Anstalten zur Flucht getroffen hat, oder diese nach vorliegenden besondern 
Umständen zu besorgen ist; 2) wenn sie auf schriftliche oder durch Dienstbefehl er- 
folgte Vorladung ohne genügende Entschuldigung vor dem Untersuchungsrichter 
nicht erschienen ist; 3) wenn sie auf eine die Ermittelung der Wahrheit hindernde 
Art auf Zeugen oder Mitbeschuldigte eingewirkt hat; 4) wenn sie bereits früher 
wegen Verbrechens oder gemeinen Vergehens zu mehr als ein Jahr Strafe ver- 
urtheilt worden und seit Erstehung, Verjährung oder Erlaß der Verbrechensstrafe 
noch nicht zehn, der Vergehensstrafe noch nicht fünf Jahre abgelaufen sind; 
5) wenn dieselbe der 2. Klasse des Soldatenstandes angehört; 6) endlich, wenn die 
Belassung des dienstpräsenten Beschuldigten auf freiem Fuße nach Beschaffenheit der 
Handlung, welche den Gegenstand der Anschuldigung bildet, mit dem Dienste un- 
vereinbar ist. 
Dienstpräsente Unteroffiziere und Soldaten, welche auf freiem Fuße prozessirt 
werden, können durch Beschluß des Untersuchungsrichters unter besondere Aussicht 
ihrer Abtheilung gestellt werden.) 
Nach Durchführung der Voruntersuchung legt der Untersuchungs- 
richter die Akten dem Staatsanwalte am Militärbezirksgerichte vor, 
welcher hierauf seinen schriftlichen Antrag an das Militärbezirksgericht 
stellt. Dasselbe beschließt in einem Senate von 3. Gerichtsmit- 
gliedern.) Dieser wird bei der Beschlußfassung über die Voruntersuchung 
wegen militärischen Verbrechens oder Vergehens aus 2 Auditeuren und 
1 Offizier, bei der über die Voruntersuchung wegen gemeinen Verbrechens 
und Vergehens nur aus Auditeuren zusammengesetzt. Der Beschluß lautet 
entweder auf: 
  
*) Ist jedoch die Anzeige in einem Vergehensfalle in Bezug auf Thatbestand, 
Thäter und Beweismittel so erschöpfend, daß darauf die Anklage begründet werden 
kann, so wird sie unmittelbar dem Staatsanwalt am Militärbezirksgericht übermittelt. 
*“) Die den Verweisungssenat bildenden Gerichtsmitglieder können in derselben 
Sache nicht als Richter fungiren.
	        
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