Full text: Bayerisches Realienbuch.

— VII — 
2. Berkules: (Sage.) 
1. Ingend. Herkules war der Sohn des Zeus und der Königin Alkmöne von Theben. 
Die Göttin Hera haßte den schönen Knaben und schickte, als er in einem Schilde schlief, zwei 
Schlangen, die ihn töten sollten. Er aber packte mit jeder Hand eine Schlange am Genick und 
erstickte sie mit kräftigem Druck. 
2. Am Scheidewege. Als Jüngling kam Herkules einmal an einen Scheideweg. Da 
traten zwei Frauengestalten auf ihn zu und boten sich ihm als Führer an. „Wer bist du?“ 
redete Herkules die erste an. „Meine Freunde,“ antwortete sie, „nennen mich das Vergnügen, 
meine Feinde das Laster. Wenn du mir folgst, führe ich dich zur höchsten Wonne und Glück- 
seligkeit.“ „Und wohin führst du mich?" fragte Herkules die andere Führerin. „Ich führe 
dich,“ gab diese zur Antwort, „in Arbeit und Gefahren, aber ich verheiße dir Unsterblichkeit, 
Ehre und Ruhm bei Göttern und Menschen.“ Und der Jüngling stieß das Laster von sich und 
reichte der Tugend die Hand. 
3. Herkules bei Gurysthens. Auf den Rat des delphischen Orakels trat Herkules in den 
Dienst des Königs Eurystheus. Von den 12 Arbeiten, die ihm der König auferlegte, sind fol- 
gende die bekanntesten: Im Walde von Nema hauste ein Löwe, der Angst und Entsetzen 
verbreitete. Herkules betäubte ihn durch einen Schlag mit seiner gewaltigen Keule und er- 
wöürgte ihn. Die Haut des Löwen hängte er als Mantel um die Schulter und setzte den Rachen 
wie einen Helm auf den Kopf. — Die lernäische Schlange hatte neun Köpfe. Sobald 
Herkules einen abschlug, wuchsen zwei neue nach. Endlich half er sich dadurch, daß er die Wunde 
jedesmal mit einem glühenden Baumaste ausbrannte. — Dann sollte Herkules den Stall 
des Augias reinigen, in dem bisher 3000 Rinder gestanden hatten. Der Held leitete zwei 
Flüsse hindurch, die an einem Tage den Unrat fortspülten. — In einem Garten an der West- 
küste Afrilas wuchsen goldene Apfel. Sie wurden von vier Jungfrauen, den Hesperiden, 
und einem hundertköpfigen Drachen bewacht. Bei den „Säulen des Herkules" schritt der Held 
nach Afrika hinüber und traf dort den Riesen Atlas, der das Himmelsgewölbe trug. Herkules 
stemmte seine Schultern unter die gewaltige Last, und Atlas holte ihm drei goldene Apfel. 
— Zuletzt stieg Herkules sogar in die Unterwelt hinab und brachte den dreiköpfigen Höllenhund 
Cerberus herauf. Eurystheus war jedoch von dem Anblick so entsetzt, daß Herkules das Un- 
geheuer sofort wieder an seinen Ort tragen mußte. 
4. Tod des Herkules. Die Eifersucht seiner Gemahlin Dejanira brachte dem Helden 
den Tod. Um sich die Liebe ihres Mannes zu erhalten, sandte sie ihm ein Gewand, das mit 
dem Blute des Zentauren Nessus getränkt war. Kaum hatte Herkules es angelegt, als das 
darin enthaltene Gift wie verzehrende Feuersglut in den Körper drang. Als er sein Ende 
nahen fühlte, bestieg er auf dem Berge Ota einen Scheiterhaufen. Zeus sandte einen 
Blitz, der alles verzehrte, was noch sterblich an dem Helden war. Dann trug eine Wolke den 
Helden zum Olymp empor, wo er als Halbgott unter den Göttern wohnen dursfte. 
3. Der Trojanische Krieg. (Historische Sage.) 
1. Nanb der Helena. An der Westküste Kleinasiens lag die Stadt Troja, dort 
herrschte der König Priamus. Einer von seinen Söhnen, Päris, fuhr einst über 
das Meer nach Griechenland. Hier kam er zum König Menelaus in Sparta. Dieser 
nahm ihn sehr freundlich auf. Aber Paris vergalt das Gastrecht schlecht. Denn eines 
-Tages, als der König abwesend war, entführte er ihm seine Gemahlin Helena 
mit allen ihren Schätzen und brachte sie nach Troja. 
2. In Aulit. Der erzürnte Menelaus rief nun alle griechischen Könige zum 
Kampfe gegen Troja auf. Die Helden strömten herbei, und bald waren an 100 000 
Krieger in dem Hafen von Aulis (Cubög gegenüber) versammelt. Hier lagen 1200 
Schiffe zur Uberfahrt bereit; aber eine anhaltende Windstille verhinderte die Abreise. 
Ein Wahrsager, nach der Ursache des Übels befragt, verkündigte: „Der König 
Agamemnon hat die Göttin Artemis (Diana) schwer beleidigt, da er eine ihr ge-