Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

68 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
in die Quere zu kommen. Unwahrscheinlich ist indessen, daß der englische 
Unwille und jener Angriff des „Standard“ sich in der Hauptsache auf 
die — wie durchweg in Deutschland angenommen wurde — südafri- 
kanische Politik bezogen habe. Die Anspielung des Blattes auf die „diplo- 
matischen Experimente“ und auf den Wert englischen Entgegenkommens 
im Bergleiche zu den Beziehungen Oeutschlands mit anderen Mächten 
ließ vielmehr auf die im fernen Osten angebahnte Annäherung zwischen 
dem Deutschen Reiche und Rußland schließen. Eine solche lief, allgemein 
politisch wie im besonderen auf dem Gebiete der ostasiatischen Politik, 
allen englischen Interessen und Zielen zuwider. In Afrika dagegen han- 
delte es sich nicht um solche „diplomatischen Experimente“, sondern um 
Versuche des Deutschen Reiches, dort selbständige Kolonialpolitik, zumal 
auch koloniale Wirtschaftspolitik, sogar gegen England zu treiben. Das 
schien den britischen Staatsmännern wohl minder gefährlich, weil sie sich 
nach einfacher Uberlegung der Machtfrage sagten, daß derartige deutsche 
Versuche, sofern England nur fest blieb, scheitern mußten, und zwar un- 
bedingt. 
Oamit soll keineswegs gesagt sein, daß der deutsch-französische Pro- 
test gegen den Kongovertrag England gleichgültig gewesen sei. Das war 
er nicht und um so weniger, weil er unerwartet kam. Ein englischer Re- 
gierungsvertreter sagte freilich: Wenn man gewußt bätte, welchen Wert 
Oeutschland auf diesen Punkt lege, so würde man den VBertrag gar nicht 
angeregt haben. Das war nach der anderen Seite bin übertrieben, aber 
bei ruhiger Betrachtung der damaligen Berhältnisse wird man nicht in 
Abrede stellen können, daß bei aller Würdigung einer vereinten deutsch- 
französischen Gegnerschaft in Afrika die britischen Staatsmänner sich 
sagen konnten und es wahrscheinlich auch getan haben: die Sache sei 
nicht dringlich. Gerade mit der Ourchführung des Planes einer Länge- 
bahn durch Afrika konnte man ohne Schaden warten, zumal das im Süden 
Afrikas liegende Problem, das die Boraussetzung zu jener Bahn enthielt, 
noch nicht gelöst war. Hier hatte sich um die Mitte der neunziger Jahre 
ein starkes britisches Interesse konzentriert und ebenfalls ein starkes 
deutsches: die Burenfrage begann in ihr letztes, entscheidendes 
Stadium zu treten. 
Begonnen hatte diese Frage in den sechziger Jahren, als die Diamant- 
felder im Oranjefreistaat, und in den siebziger Zahren, als in der Trans- 
vaalrepublik Goldfelder entdeckt wurden. 1877 machte England seinen 
ersten Bersuch, die Transvaalrepublik zu verschlucken, und kleidete diesen 
Versuch nach bewährter Tradition in die Absicht und den Charakter einer 
britischen Hilfsaktion für die Buren, die sich in Geldverlegenheit befanden, 
außerdem unglückliche Gefechte mit schwarzen Nachbarn gehabt hatten.
	        
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