Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

82 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
Zene in der Wurzel unrichtige deutsche Politik, die schließlich zur 
Krügerdepesche führte, in ihr gipfelte und mit ihr endete, war nicht per- 
sönliche Politik des Deutschen Kaisers, sondern es war die Politik seiner 
berufenen und verantwortlichen Natgeber. Die Gerechtigkeit verlangt 
eine solche Feststellung in aller Ausdrücklichkeit. 
In Transvaal gingen die Dinge ihren Gang. England schickte noch 
einen Kreuzer nach der Delagoabucht. Präsident Krüger verlangte Aus- 
kunft über den Zweck des neu in Dienst gestellten Fliegenden Geschwaders 
und erhielt die Antwort: England wolle für alle Fälle vorbereitet sein. 
Der Staatssekretär Chamberlain teilte dem Präsidenten Krüger gleich- 
zeitig mit: England werde sich um jeden Preis der Einmischung jeder 
fremden Macht in die Angelegenheiten Transvaals widersetzen. Oie bloße 
Annahme, Oeutschland denke an solche Einmischung, babe einen bei- 
spiellosen Ausbruch der öffentlichen Meinung hervorgerufen. Kurz darauf 
machte Chamberlain dem Präsidenten Krüger bekannt, daß die Beschwer- 
den der Ausländer berücksichtigt werden müßten, sonst würde die Aus- 
sicht auf eine dauerhafte Regelung in verhängnisvollster Weise beeinflußt 
werden. Jene sogenannten Reformen, nämlich die Bermehrung der Rechte 
der Ausländer in Transvaal mit dem Ziele der Gleichstellung den Buren 
gegenüber, mußten mit Notwendigkeit zum Selbstmorde der Transvaal-= 
republik oder zum Kriege führen. Ein Orittes gab es nicht. Das Deutsche 
Reich legte der britischen Politik keine Hindernisse mehr in den Weg. 
Freiherr v. Marschall nahm im Frühjahr 1896 Gelegenheit, Groß-- 
britannien zu zeigen, daß die deutsche Politik nicht an Unfreundlichkeit 
denke: 
Am 1. März 1896 war eine italienische Division unter dem General 
Baratieri bei Adua in Abessinien von dem Heere des Negus Menelik 
geschlagen und zum großen Teile gefangen genommen worden. Die 
Stellung Ztaliens in Afrika war erschüttert und gewährte England dort 
nicht mehr die Deckung, welche es brauchte. Die Derwische erhoben sich 
und gingen in der Richtung auf Erpthrea vor, und die großbritannische 
Regierung glaubte die britische Autorität in Oberägppten bedroht. Sie 
bereitete eine Expedition nach Dongola vor, um den ägyptischen Süden 
zu erhalten, und richtete an die in Agppten beteiligten Großmächte das 
Ersuchen, die Kosten des Feldzuges aus der ägpptischen Schuldenkasse 
zu bestreiten. Frankreich, unterstützt von Rußland, lehnte ab. Das Deutsche 
Reich stellte sich zu allgemeinem Erstaunen dem englischen Ansuchen 
günstig gegenüber und trat dafür ein. Halbamtlich wurden als Begrün- 
dung die Znteressen des italienischen Bundesgenossen angeführt.
	        
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