Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

84 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
wesenen Streitkräfte und die öffentliche Meinung waren voll Wut. China, 
dessen Integrität durch den Protest der drei Mächte gewahrt worden 
war, stellte alo Dank dem Deutschen Reiche zunächst ein kleines Grund- 
stück als Konzession für die dortigen deutschen Kaufleute dicht bei der 
Hafenstadt Cientsin zur Berfügung und gestattete ebenfalls die Errich- 
tung einer deutschen Niederlassung in Hankau. Frankreich erbielt be- 
deutende territoriale und andere Zugeständnisse an der Grenze von 
Kochinchina, Rußland garantierte China eine Anleihe von 400 Millionen 
Franken, erhielt außerdem mit umfangreichen Zugeständnissen die Kon- 
zession zum Bau der Mandschureibahn bis Port Arthur, — hatte also 
den Löwenanteil bekommen, während das Oeutsche Reich eigentlich 
nichts erhielt. 
Großbritannien batte sich, als feststand, daß die Zapaner siegreich 
auf der ganzen Linie bleiben würden, in schnellem Wechsel der Stellung 
an die Seite Fapans begeben. Der Grund war ebenso klar wie die Motive, 
welche Rußland zu seiner gegenteiligen Stellung veranlaßten. Oie rus- 
sische Politik drängte auf Korea hin, und man hatte in St. Petersburg 
schon den Blick auf Port Arthur gerichtet. Die Interessen Rußlands in 
Korea und an Korea standen fest, auch die sibirische Bahn befand sich 
im Bau. Als Grenznachbar des Chinesischen Reiches mit der Absicht, 
auf dieses wachsenden Einfluß zu gewinnen, mußte dem Russischen Reiche 
eine japanische Fußfassung auf dem Kontinente als unerträglich erscheinen. 
Die Gründe und Erfolge des französischen Anschlusses wurden bereits 
erörtert. 
Die Frage bleibt: was das Oeutsche Reich letzten Endes zu jener 
Znterventionspolitik im fernen Osten veranlaßte, durch die es sich einmal 
den Unwillen Japans zuzieben, ferner sich in Gegensatz zur englischen 
Politik begeben mußte. 
Soweit sich heute übersehen läßt, kam eine Anzahl von Gründen zu- 
sammen. Damals, um Mitte der neunziger Jahre, war in Deutschland 
ziemlich allgemein die Auffassung: der neue Reichskanzler, Fürst Hohen- 
lohe, habe diese Gelegenheit benutzt, um wieder den Anschluß an Ruß- 
land zu finden und damit die deutsch-russischen Beziebungen allgemein 
zu bessern. Daß dieser Gedanke mitgewirkt bat, ist wahrscheinlich, wenn 
nicht sicher. Fürst Hohenlohes Politik ging von Anfang an darauf hin, 
den Draht nach Petersburg wieder mit elektrischem Strome zu füllen. 
Der alte erfahrene Staatsmann wußte die Bedeutung der Beziehung 
zu Rußland zu schätzen, und sein Borhaben wurde ihm durch den rus- 
sischen Thronwechsel erleichtert, ebenso durch seine persönlichen Bezie- 
hungen in Rußland, wo er Grundbesitz hatte. 
In seinen Denkwürdigkeiten erzählt der Fürst: er habe bei seinem
	        
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