Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

164 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 18986—1903. 
  
Küste liegenden Kriegsschiffe Schutzdetachements gesandt würden. Oiese 
trafen auch ein. Weil man ferner fürchtete, die Berbindung von Peking 
nach der See würde ganz zerstört werden, da der Eisenbahnverkehr unter- 
brochen und die Telegraphenlinien zerstört waren, so erhielten die Ge- 
schwaderchefs Weisung von ihren Regierungen, für die Aufrechterhaltung 
der Verbindung mit Peking zu sorgen. Inzwischen taten die Regierung 
und die Kaiserin-Mutter kurze Zeit so, als ob sie gegen die Aufrührer 
vorgehen wollten, und das war der Grund, daß der deutsche Gesandte 
eine weitere Verstärkung des Schutzdetachements für unnötig erklärte 
und es anwies, in Tientsin zu bleiben. Wenige Tage nachher wurde 
der Gesandte Freiherr v. Kettler in Peking auf der Straße erschossen. 
Zugleich war Peking tatsächlich von allen Berbindungen nach außen 
abgeschnitten. Es folgte die vergebliche Expedition der vereinigten Lan- 
dungskorps unter dem Befehle des englischen Admirals Sepmour, um 
bis nach Peking vorzudringen. Auch in Tientsin gestaltete sich die Lage 
immer gefährlicher, und nur der Erfolg der Einnahme der Forts bei 
Taku — es sei an die Namen „Iltis“ und Kapitän Lans erinnert — ge- 
stattete, nach scharfen Kämpfen Tientsin zu entsetzen. Alle Mächte ent- 
sandten nun so schnell wie möglich mehr Kriegeschiffe mit verstärkten 
Landungskorps, außerdem in weiterer Folge Truppen auf Transport- 
dampfern, die aus freiwilligen Angehörigen der Armee gebildet waren. 
Oer militärische BVerlauf ist bekannt, und es liegt außerhalb des 
Rahmens unserer Betrachtungen, näher auf ihn einzugehen. Von poli- 
tischem Interesse war lediglich die Frage des Oberkommandos der inter- 
nationalen Truppen. Der Feldmarschall Graf Waldersee hat bekanntlich 
diesen Oberbefehl geführt, und es ist seinerzeit viel darüber gestritten 
worden, ob die Anregung dazu vom Oeutschen Kaiser oder vom Zaren 
ausgegangen sei. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sich die Sache derart 
abgespielt, daß zunächst der Deutsche Kaiser sich rein persönlich und ver- 
traulich mit dem Zaren über die Frage eines gemeinsamen Oberkom- 
mandos in Verbindung gesetzt hat und daß als Folge dieses Gedanken- 
austausches die amtliche und öffentliche Anregung eines deutschen Ober- 
kommandos vom Zaren ausgegangen ist. Der Deutsche Reichskanzler 
erklärte sich folgendermaßen: „Der Gedanke eines deutschen Oberbefehls 
beruhte auf einer von außen her auf amtlichem Wege an uns gelangten 
Anregung. Mehr, meine Herren, kann ich nicht sagen, weil es sich handelt 
um einen Gedankenaustausch zwischen Souveränen und Staatsober-- 
häuptern, und ganz abgesehen davon gibt es auch Fälle, wo mir das 
Staateinteresse ein Schloß vor den Mund legt.“ Ein anderes Mal ver- 
sicherte der Kanzler, daß man deutscherseits die Truppen gern einem 
fremden Oberbefehl unterstellt hätte, besonders habe man diesen Wunsch
	        
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