Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Boxerkrieg und Bangtse-Vertrag. 169 
  
land und Oeutschland sich über etwaige Schritte verständigen. Nicht 
minder wichtig war der Schlußabsatz, daß dieses Abkommen allen be- 
teiligten Mächten mitgeteilt wurde unter gleichzeitiger Aufforderung, den 
darin vertretenen Grundsätzen beizutreten. Nach nicht langer Zeit er- 
folgten entsprechende Zustimmungen von seiten aller Mächte. — — 
In Oeutschland war vielfach die Ansicht vertreten, dieses Abkommen 
möge an und für sich ganz gut sein, könne jedoch uns leicht Rußland ent- 
fremden. Denn welche andere Macht konnten England und Deutschland 
meinen, wenn sie auf territoriale Gebietserwerbungen unter Benutzung 
der chinesischen Komplikationen seitens einer Macht anspielten! Aller 
Augen waren damals nach China gerichtet, nach Peking, und vor allem 
nach der Mandschurei. Die Beschwerde der Pekinger Regierung gegen 
das russische Borgehen in der Mandschurei wurde schon erwähnt, und 
wir haben gesehen, wie in der russischen Note eine Räumung der Man- 
dschurei in Aussicht gestellt wurde: nach Herstellung dauernder Ordnung, 
nach Ergreifung unumgänglicher Schutzmaßnahmen für die Eisenbabnen 
und vorausgesetzt, daß die Handlungsweise anderer Mächte dem russischen 
Vorhaben, seine Truppen zurückzurufen, nicht entgegenstände. — Wie 
viele Wenns und Abers, wie viele Möglichkeiten und Hintertüren in 
diesen Sätzen lagen, darüber war man sich in der ganzen Welt klar, und 
am meisten Besorgnis erregte die Mandschureifrage damals in Groß-- 
britannien und in Japan. Auf ZJapan ging allem Anscheine nach die 
Andeutung der russischen Note von der „Handlungsweise anderer 
Mächte“. 
Rußland allein schien in dem deutsch-englischen Abkommen eigentlich 
gemeint, als dieses den anderen beteiligten Mächten bekanntgegeben 
und zur Anerkennung vorgelegt wurde. Mit einer gewissen Spannung 
mag man die Stellungnahme der russischen Regierung abgewartet haben. 
Diese traf wenige Tage darauf ein, erkannte die ersten Punkte des Ein- 
vernehmens als für Rußland sympathisch an, weil beim Entsteben der 
gegenwärtigen chinesischen Verwickelungen gerade Rußland als erste 
Macht die Integrität Chinas proklamiert habe. „Was den dritten Punkt 
betrifft, der die Möglichkeit einer Verletzung des Grundprinzipes vor- 
auesieht, so kann die russische Regierung nur ihre Erklärung erneuern, 
daß eine derartige Berletzung (der Integrität Chinas) Rußland zwingen 
würde, die von ihm eingenommene Haltung je nach den Umständen zu 
ändern.“ 
Die russische Note dreht gewissermaßen den Spieß um, indem sie eine 
Verletzung der chinesischen Integrität durch Rußland als völlig außer 
der Möglichkeit liegend ansieht. Die russische Regierung behält sich aber 
freie Hand vor, und zwar selbständig, ohne Verpflichtungen oder Ver-
	        
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