Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Venezuelao — Oie Bereinigten Staaten. 219 
  
Staaten mit den perfiden und weitgehenden Plänen der deutschen Welt- 
politik die Haut schaudern zu machen. 
Das Oeutsche Reich und die Bereinigten Staaten waren die ge- 
fährlichen Konkurrenten Großbritanniens auf dem Gebiete der Industrie 
und des überseeischen Handels. Was konnte es also Schlimmeres und Un- 
heilvolleres geben, alo daß diese beiden Mächte sich politisch einander 
näherten! Man mußte im Gegenteil sie auseinanderhalten und mit einer 
von ihnen zusammengehen. Daß diese eine nicht Oeutschland, sondern 
die Bereinigten Staaten sein müsse, das stand jedem Engländer nun- 
mehr fest. In den Vereinigten Staaten erblickte man einen wirtschaft- 
lichen Nebenbuhler, aber einen solchen, dem weder politisch, noch wirt- 
schaftlich, noch militärisch beizukommen war, mit dem in unfreundliche 
Beziehungen zu geraten mithin keinen A#utzen haben könnte. Außerdem, 
und dieses Moment wiegt und wog sehr viel schwerer als häufig ange- 
nommen worden ist: der Engländer und der Nordamerikaner sprechen 
dieselbe Sprache, sie sind durch Tausende von Traditionen und durch 
Bande aller Art miteinander verknüpft. 
Die Rolle der Oeutsch-Amerikaner wurde in der Zeit jener Miß- 
verständnisse zwischen dem Deutschen Reiche und den Vereinigten Staaten 
viel erörtert. Man war in Deutschland früher geneigt, in diesem soge- 
nannten deutsch-amerikanischen Elemente eine große Macht zu erblicken, 
die sich in international entscheidenden Augenblicken hauptsächlich für 
die Zukunft mehr und mehr als im deutschen Sinne wirksam erweisen 
werde. Das deutsche Element ist in den Bereinigten Staaten bekanntlich 
sehr zahlreich und stark vertreten. Man hat von seiten angelsächsischer 
Amerikaner immer die allergünstigsten Urteile über den Einfluß dieses 
deutschen Elementes gehört. Niemals aber konnte festgestellt werden, 
daß dieses deutsch-amerikanische Element Einfluß im Sinne einer deutsch- 
freundlichen Politik der Bereinigten Staaten gehabt und ausgeübt habe. 
Das ist nach Lage der Verhältnisse in den Vereinigten Staaten und nach 
Maßgabe der Eigentümlichkeiten des Oeutschen im Auslande nicht ver- 
wunderlich. Es wäre töricht, den dortigen Deutschen und Halbdeutschen 
einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie sind, wie sie sind. Abgesehen 
von den zahlreichen anderen Faktoren haben die sogenannten Oeutsch- 
Amerikaner durchweg gezeigt, daß ihnen eAugenmaß und Gesichtspunkt 
für die Interessen des Deutschen Reiches verloren gegangen sind, wenn 
anders sie solche je besessen hatten; gibt es doch Deutsche genug im Deutschen 
Reiche, deren politischer Instinkt und Urteilskraft ebensowenig entwickelt 
sind. 
Oen allein richtigen Standpunkt zu dieser Frage hat einmal der 
Deutsche Kaiser in zwei Worten ausgesprochen, und zwar einer Ab-
	        
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