Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

18 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894. 
  
auch getan. Die Uberzeugung vom Autzen der Zugehörigkeit Italiens 
zum Oreibunde wuchs unter den Politikern IZtaliens zunächst erheblich. 
Dieser ANutzen zeigte sich sozusagen auf Schritt und Tritt der italienischen 
Politik und Wirtschaft, ohne daß Italien Unkosten davon gehabt hätte. 
Ob die Staatsmänner in den ersten Dreibundszeiten geneigt und imstande 
gewesen wären, durchzusetzen, daß Italien in einem europäischen Kriege 
seinen Bundespflichten genügte, muß dahingestellt bleiben, wahrscheinlich 
hätte das ganz und gar von der Konstellation und von den Ergebnissen 
italienischer Zweckmäßigkeitsberechnungen abgehangen. Wandeldbar blieb 
das Element desjenigen Teils der italienischen Politik, welcher nicht direkt 
durch den Dreibundvertrag umschrieben wird, und eben hier, wo die Ita- 
liener politisch und militärisch ihre schwache Stelle fühlten, wo die nicht 
dokumentarisch-vertraglich verbürgte Garantie des Status quo im Mittel- 
ländischen Meere durch die britische Flotte Platz zu greifen hatte, setzte 
die französische Politik ein. Hierzu gesellten sich in den neunziger Jahren 
die afrikanischen Schwierigkeiten, ferner solche finanzieller und wirtschaft- 
licher Natur. Dazu kam allgemein der alte, zunehmende italienische 
Haß gegen ÖOsterreich-Ungarn und die Fremdbeit des Ztalieners deutschem 
Wesen gegenüber, und schließlich, wie wir heute erfahren haben, das 
gänzliche Fehlen des Momentes der Bundestreue. Trotzdem, wie hier 
schon vorweggenommen sei, war der Verrat von 1915 kein unausweichliches 
Verhängnis, sondern das negative Ergebnis einer ausweichenden Politik 
innerhalb des Oreibundes. 
Die Grundzüge der italienischen Politik und das deutsch-italienische 
Verhältnis sind hier, zu Anfang des letzten Bierteljahrhunderts deutscher 
Politik, deshalb besonders stizziert worden, weil beide die Grundlage 
und Erklärung für viele wichtige politische Erscheinungen und Akte während 
dieser fünfundzwanzig Jahre bilden. Ohne deren Kenntnis wären die 
letzteren nicht verständlich, geschweige denn beurteilbar. 
Die Rückversicherung und ihre Auflösung. 
General v. Caprivi, als Bismarcks Nachfolger im Frühjahr 1890 er- 
nannt, lehnte eine Erneuerung des deutsch-russischen Rückversicherungs- 
vertrages ab oder unterließ stillschweigend die Erneuerung. Mit dem 
Herbste des gleichen Jahres erlosch der Vertrag. 
Bevor wir die Folgen dieses vielbesprochenen und schwerwiegenden 
Aktes erörtern, ist es notwendig, kurz auf seine Vorgeschichte einzugehen, 
soweit sie bekannt ist. Amtlich Authentisches ist niemals über den Rück- 
versicherungsvertrag gesagt worden. Von seiner Ezistenz erfuhr man 
erst durch die Enthüllungen der „Hamburger Nachrichten“ im Jahre
	        
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