Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Zwei neue Machtegruppen. 55 
  
Fergussons in Deutschland machen. Ist es gleich an und für sich eine 
Selbstverständlichkeit, daß jede Macht ihre eigenen Interessen an die 
erste Stelle setzt, so lag in der durch eine Anfrage hervorgerufenen aus- 
drücklichen Stellungnahme des britischen Unterstaatssekretärs doch ein 
gewisses Abrücken vom Oreibunde, auch die Absicht, zu verhindern, daß 
andere Mächte Großbritannien mit dem Oreibunde identifizierten. Hält 
man die Monarchenreden auf englischem und auf deutschem Boden 
(1889/90) dagegen, so ist der Eindruck nicht hinwegzuweisen, daß inner- 
halb jener kurzen Zeit eine Anderung in der britischen Haltung einge- 
treten war. Sie bedeutete nur eine Schattierung freilich, die englisch- 
deutsche Freundschaft bestand weiter, aber eben diese Schattierung war 
von symptomatischer Wichtigkeit. Großbritannien hatte den großen — 
im Sinne des Wortes epochemachenden — Erfolg erreicht: Deutsch- 
land an sich gezogen, Rußland die deutsche, Deutschland die russische 
Rückendeckung genommen zu haben. Diese Tatsachen waren da und 
nicht mehr rückgängig zu machen, also konnten die britischen Staats- 
männer die bisher nach außen gezeigte Haltung völliger Solidarität mit 
den Dreibundmächten ein wenig abschwächen. 1890 hatte man mit Frank- 
reich das Abkommen über Sansibar-Madagaskar abgeschlossen; außer- 
dem erbielt Frankreich den Westen der Sahara bis zum Nordrande des 
Tschadsees und damit unmittelbare Verbindung zwischen Algier und 
Senegambien. Auch diese Verträge bedeuteten eine Annäherung zwischen 
den beiden Mächten und eine weitere Verwischung englischer Partei- 
nahme zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich. 
Den Aufforderungen der Pforte, Agoypten zu räumen, entsprach Eng- 
land nicht. Lord Salisbury erklärte, er wolle erst „das Werk vollenden“. 
Im selben JZahre fand die Konversion der ägyptischen Schuld statt. Wäh- 
rend die Pforte hier nur Abweisung, Druck und latenter Feindlichkeit 
begegnete, hatten die beiden ersten Regierungsjahre Kaiser Wilhelms II. 
eine entschiedene und viel bemerkte Annäherung der deutschen Politik 
an die Türkei gebracht. Schon im Herbste seines zweiten Regierungs- 
jahres benutzte Kaiser Wilhelm II. die Hochzeit seiner Schwester, der 
Prinzessin Sophie, mit dem Kronprinzen von Griechenland, um nachher 
den Sultan in Konstantinopel zu besuchen. Dieses Ereignis erregte unter 
zweifachem Gesichtspunkte großes Aufsehen: Der Herrscher des Deutschen 
Reiches behandelte den Sultan freundschaftlich und auf gleichem Fuße; 
ferner: das Deutsche Reich, das bisher den Orientdingen mit stark betonter 
Zurückhaltung gegenübergestanden hatte, trat in tätige Bezlehungen zu 
dem vermeintlich so kranken Manne Europas. 
Der Zar Alexander III. hatte im Frühjahr des Jahres 1888 aller- 
dings dem Konstantinopler Besuchsplane Kaiser Wilhelms II. mit Miß- 
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