Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

44 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894. 
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Man mußte sich selbstverständlich schon für Mobilmachungevorbe- 
reitungen und Operationspläne, für alle der Küstenverteidigung gel- 
tenden Dispositionen die Uberlegung machen, wie man das britische Helgo- 
land militärisch zu verrechnen habe. Da der Admiralstab ebensowenig 
wie der Generalstab nur mit jeweiligen politischen Konstellationen rechnen 
kann noch darf, so wird er damals auch einen Krieg mit England, nicht 
nur einen solchen mit Frankreich in Betracht gezogen haben. Auch in der 
Erwägung eines französischen Krieges konnte die Marinebehörde aber 
nicht a priori die Annahme zugrunde legen, daß Großbritannien sich in 
wohlwollender Neutralität, ja überhaupt im Stande der ANeutralität dem 
Deutschen Reiche gegenüber verhalten würde. Daß Großbritannien 
damals diese wohlwollende Neutralität Deutschland gegenüber betätigt 
haben würde, kann freilich keinem Zweifel unterliegen; das mag beiläufig 
bemerkt sein, um Mißverständnisse auszuschließen. Es ist nicht nötig, hier 
alle militärischen Eventualitäten zu erschöpfen, wir können sie in den 
einen Satz zusammenfassen: daß die Insel Helgoland in den Händen 
einer feindlichen oder nicht wohlwollend neutralen Macht, sei es auch nur 
zeitweise während des Krieges, eine erhebliche Gefahr für die deutsche 
Küstenverteidigung und Flotte, auch eo ipso eine Schwächung beider 
bedeutet haben würde. 
Die deutsche Marine war damals sehr klein, sie besaß kein einziges 
vollwertiges Hochseeschlachtschiff, ihr Schiffsmaterial war teils veraltet, 
teils in der Anlage verfehlt und nicht unter dem Gesichtspunkte zielbewußter 
einheitlicher Verwendung entstanden. ODer einzige Teil der Flotte, dem 
ein wirklicher und höherer Wert auch nach beutiger Beurteilung zuge- 
messen werden konnte, waren die Torpedoboote. Die feste Küstenvertei- 
digung war sehr lückenhaft und schwach; es fehlte auch ihr jene organische 
Einheitlichkeit, die nur aus dem leitenden Gesichtspunkte hervorgehen kann, 
welcher das Schiffsmaterial und seine Entstehung, Organisation und mili- 
tärischen Berwendungszweck in höherer Einheit zur Deckung bringt. Oes- 
halb war die deutsche Flotte auf die Küstenverteidigung angewiesen, und 
wenn auch schon damals weitergehende Pläne und Gedanken bei vielen 
Seeoffizieren bestanden haben, so würde um die Zeit des Helgoland- 
tausches eine andere kriegerische Berwendung der deutschen Flotte gar 
nicht möglich gewesen sein. Unter diesem Gesichtspunkte beurteilten 
denn auch die maritimen Autoritäten die Insel Helgoland. Es war ihnen 
klar, daß die Insel in Feindeshand eine gefährliche Angriffsbasis gegen 
die Küsten und Flußmündungen unserer Nordseebucht und den deutschen 
Seehandel bedeutete. Setzte man ein wohlwollend neutrales England 
voraus, so fiel diese Helgolandgefahr weg. Wurde Helgoland jetzt aber 
deutsch, so mußte die deutsche Marine die Insel verteidigen, oder diese
	        
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