Full text: Von Potsdam nach Doorn.

ränen Fürsten als ein unüberwindliches Hindernis diesem Anspruch ent- 
gegen. Sie wollten weder einen deutschen Einheitsstaat, noch dachten sie an 
Verzicht auf ihre Würde und Stellung, den sie einem Kaiser oder König von 
Deutschland gegenüber hätten leisten müssen. Sie verstanden und konnten 
auch, angesichts der damaligen Lage und Auffassungen, unter der Schöp- 
fung eines neu entstehenden Deutschen Reichs kaun: etwas anderes ver- 
stehen als einen Bund, der sich von dem alten Deutschen Bunde unter Öster- 
reichs bzw. Habsburgs anmaßender Autorität wesentlich unterschied. 
Der Dualismus: Preußen—Österreich war durch Königgrätz beendet, das 
preußische Gewicht von unbedingt ausschlaggebender Schwere: Der neue 
Bund konnte deshalb einheitlich sein, die Bundesfürsten mit ihren Staaten 
sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und Selbständigkeit um 
Preußen zusammenschließen. Damit sie es freiwillig täten, gab ihnen Bis- 
marck so viel Unabhängigkeit und Selbständigkeit, wie es sich irgend mit 
dem Wesen eines wirklichen Bundes vereinigen ließ. Er kannte die Psycho- 
logie dieser deutschen Dynastien, auch der Bevölkerungen, z. B. derjenigen 
Bayerns, um neben mancher Abneigung auch die Besorgnis zu würdigen: in 
dem neuen Bunde bzw. Reiche werde es nach und nach allen Bundesstaaten 
so gehen wie Hannover und Hessen nach 1866. 
Man kann ohne Übertreibung sagen: Das Deutsche Reich wäre 1871nicht 
zustande gekommen, wenn Bismarck nicht verstanden hätte, das Vertrauen 
der Fürsten, ihrer Stände und Parlamente zu gewinnen, dahin, daß die neue 
Verfassung unter allen Umständen gewissenhaft eingehalten werden und das 
Reich genau auf der ‚föderativen Grundlage‘ bleiben würde, wie die Reichs- 
verfassung sie festlegte. Zu Bismarck und Wilhelm dem Ersten hatte man 
dieses Vertrauen, und Bismarck begriff, daß dieses unter keinen Umständen 
auch in folgenden Jahrzehnten enttäuscht werden dürfe. Noch in den acht- 
ziger Jahren brachte der König von Bayern in einem Brief dieses Vertrauen 
auf Bismarck zum Ausdruck, hinter dem leise die Besorgnis immer wieder 
stand, daß es vielleicht doch einmal anders kommen könne. 
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Der 18. Januar 1871 nahte heran, und König Wilhelm bestand darauf, daß 
er zum ‚„Kaiter von Deutschland‘ ausgerufen werde, sonst nähme er den 
Kaisertitel nicht an. Bismarck führte ein letztes Argument ins Feld: der 
Reichstag habe mit der Reichsverfassung bereits den Titel für das Bundes- 
präsidium: ‚Deutscher Kaiser‘ angenommen, die Sache sei nicht mehrrück- 
gängig zu machen. Der König lehnte heftig ab, geriet in höchste Erregung, 
kehrte Bismarck den Rücken und brach die Unterhaltung ab. 
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