Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Allerhöchst Ihrer Regierung alles vermieden sehen, was dazu beitragen 
könnte, der deutschen Nation das Bild ihres größten Staatsmannes zu trüben. 
Indem ich Ew. (Titel) hiervon mit der Ermächtigung, erforderlichenfalls, 
demgemäß sich zu äußern, in Kenntnis setze, füge ich ergebenst hinzu, daß 
ich mich der Hoffnung hingebe, es werde auch seitens der Regierung, bei 
welcher Sie akkreditiert sind, den Äußerungen der Presse in bezug auf die 
Anschauungen des Fürsten Bismarck ein aktueller Wert nicht beigelegt 
werden.‘ — 
Der Rcichskanzler von Caprivi hatte diesen Erlaß gezeichnet. Beinahe un- 
mittelbar nach Ausfertigung und Versendung dieses Erlasses telegraphierte 
der Kaiser auch an den Grafen Görz: ihm sei so weh ums Herz, als hätte er 
seinen Großvater noch einmal verloren! ‚Es ist mir aber von Gott einmal 
bestimmt, alsö habe ich es zu tragen, wenn ich auch darüber zugrunde gehen 
sollte.‘ In Wirklichkeit war der Monarch, wie wir gesehen haben, höchst er- 
leichtert, daß er endlich den Rücktritt seines Kanzlers erreicht hatte. Im 
Zusammenhang der damaligen Ereignisse scheint das Herzweh des Kaisers 
überdenTodseinesGroßvaters zum mindesten recht erträglich gewesen zusein. 
Ebenso unwahrhaftig und unwürdig, außerdem politisch beinahe un- 
glaublich aber war es, daß Kaiser Wilhelm II. sich gedrungen fühlte,’ sich 
sogar dem französischen Botschafter zu Berlin, Herrn Herbette, sein Herz 
folgendermaßen auszuschütten: 
„Der Herzog von Lauenburg scheint Mir immer noch zu zürnen, weil Ich 
seine Entlassung als Reichskanzler veranlaßt und angenommen habe. Ich 
gestehe, daß es Mir ungeheuer peinlich war, Mich endgültig von diesem alten 
und. erprobten Diener Meines Großvaters und Meines Vaters zu trennen. 
Aber wie sollte ich anders handeln ? Seit jenen Tagen folgt der Herzog Ge- 
fühlen, die seiner unwürdig sind. Er ist von dem Piedestal, auf das die An- 
erkennung der Nation und Meine eigene ihn erhoben hat, herabgestiegen und 
sich in eine maß- und würdelose Opposition gestürzt. Mit unerhörter Heftig- 
keit mißbilligt,. verurteilt und greift er alles an, was Meine Regierung tut, 
und führt gegen sie einen durchaus unerträglichen Kampf in der Presse. 
Glauben Sie aber nicht, daß Ich, wie man behauptet, beabsichtige, durch 
Eingreifen des Reichsgerichts, mit Gewalt zu erzwingen, was der Herzog Mir 
mit Liebe nicht gewähren will. Nein, niemals wird der Deutsche Kaiser der 
Welt das traurige Schauspiel geben, daß ein Fürst den Mann, der ein be- 
geisterter Diener Deutschlands und Preußens war, und den, trotz der Fehler 
seines Alters, die Nachwelt als einen der größten Staatsmänner der Jetztzeit 
betrachten wird, in seinen alten Tagen in Anklagezustand versetzt.‘ 
Man braucht sich nur vorzustellen, wie sich, etwa in England, ein König 
einem großbritannischem Bismarck gegenüber verhalten haben würde, um 
236
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.