die Ungeheuerlichkeit dieser Unterhaltung eines Deutschen Kaisers und
Königs von Preußen mit einem französischen Botschafter auf sich wirken zu
lassen. Was konnte überhaupt den Deutschen Kaiser dazu bringen, sich vor
dem Franzosen wegen der Entlassung Bismarcks gewissermaßen zu recht-
fertigen, als nur sein hemmungsloses Beifallsbedürfnis ? Die Antwort Her-
bettes ist damals leider nicht bekannt geworden, aber es kann wohl kein
Zweifel bestehen, daß der französische Diplomat die Entlassung des großen
deutschen Staatsmannes in höchstem Grade gerechtfertigt gefunden und
für außerordentlich großmütig und edel erklärt hat, daß der Kaiser mit
schwerer Überwindung darauf verzichtet habe, den ruchlosen Bismarck als
Landesverräter vor das Leipziger Reichsgericht zitieren und gleich insichere
Untersuchungshaft bringen zu lassen.
Es war ziemlich allgemein bekannt, daß der Kaiser wiederholt in Unter-
haltungen erklärte: Bismarck-gehöre in das Gefängnis nach Spandau. Jene
Presse, die den Schöpfer des Reichs seit jeher haßte, stimmte mit trium-
phierenden Gegeifer der Auffassung des Kaisers zu. Dieser hat das Reichs-
gericht nur deshalb nicht in Anspruch genommen, weil er Unruhen in
Deutschland befürchtete.
Bismarck notiert im dritten Bande der ‚Gedanken und Erinnerungen“:
‚Wenn es heute innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten läge, so würde mir,
glaube ich, als Abschluß meiner politischen Laufbahn das Geschick des
Grafen Danckelmann nicht erspart geblieben sein. Ich würde angesichts der
Kürze der Lebensdauer, auf die ich in meinem Alter überhaupt noch zu
rechnen habe, nicht aus dem Wege gegangen sein und auch diese Ironie des
Schicksals mit heiterer Ergebung in Gottes Willen ertragen haben. Den Sinn
für Humor habe ich auch in den ernstesten Lagen des Lebens niemals
verloren.“
In Frankreich aber schrieb Paul de Cassagnac: ‚Nein, die Deutschen sind
kein großes Volk ; das Pantheon, das Himmelszelt wäre uns nicht groß genug
gewesen, um diesen Mann hineinzusetzen.“
Der deutsche Schriftsteller Paul Mittelstädt schrieb: ‚Der Abgrund von
Niedertracht und Erbärmlichkeit der deutschen Presse ist durch kein
Maß von Verachtung mehr auszufüllen. Bismarck als Feind des Reiches und
der Krone öffentlich des Hoch- und Landesverrats angeklagt — tiefer und
allgemeiner konnte das nationale Bewußtsein des deutschen Volkes nicht
der Entsittlichung und dem Wahnwitz anheimfallen.”“ Gemeint war damit
der Kaiser.
Ein englisches Blatt schrieb gegen Ende der Kanzlerkrise: „Des Fürsten
Bismarck Autorität beruht nicht auf dem Umstande, ob er noch Kanzler ist
oder nicht, sondern sie ist das historische Ergebnis eines Menschenalters voll
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