Full text: Von Potsdam nach Doorn.

man in Einigkeit ihn unterstützen. Diese Rede hielt der Kaiser zwei Wochen 
nach seinem Krüger-Telegramm, mitten in die feindselige englische Er- 
regung hinein. Solche Worte mußten beinahe als eine Ankündigung bzw. 
Drohung einer über alle Erdteile ausgreifenden deutschen Eroberungs- und 
Expansionspolitik zum mindesten ausgenutzt werden. Den anderen Re- 
gierungen war natürlich bekannt, daß Deutschland keinerlei Mittel besaß, 
um eine solche Politik durchzuführen, aber die Kundgebung der Absicht 
genügte als erfolgreiche antideutsche Propaganda reichlich. Das Wort 
„Weltpolitik“ wurde von Engländern und Franzosen bald ironisch, bald als 
Drohung mit allem, was Wilhelm II. tat und tun zu wollen ankündigte, ver- 
bunden. 
Im Jahre 1897 wurde die Ermordung zweier deutscher Missionare auf 
chinesischem Boden zum Anlaß für die Besitznahme der Bucht von Kiau- 
tschou. Kurz darauf hielt man es für nötig, einige Kriegsschiffe unter dem 
Befehl des Prinzen Heinrich als Verstärkung der wenigen dort vorhandenen 
Schiffe nach Ostasien zu senden. Da der Prinz von Beruf Seeoffizier war, so 
konnte man das Ereignis dieser Fahrt nicht ais besonders aufregend werten. 
Gelegentlich des Abschiedsessens im Schloß zu Kiel für den Prinzen hielt 
der Kaiser eine phrasenreiche Rede, aus der die stärksten Wendungen an- 
geführt sein mögen: 
„Jedem Europäer draußen in Ostasien, dem deutschen Kaufmann 
draußen und vor allem dem Fremden draußen, auf dessen Boden wir sind, 
oder mit dem wir zu tun haben werden, möge klar sein, daß der deutsche 
Michel seinen mit dem Reichsadler geschmückten Schild fest auf den Boden 
gestellt hat, um dem, der ihn um Schutz angeht, ein für allemal diesen 
Schutz zu gewähren Sollte es aber je irgendeiner unternehmen, uns in 
unserem guten Recht zu kränken oder schädigen zu wollen, dann fahre darein 
mit gepanzerter Faust! Und, so Gott will, flicht dir den Lorbeer um deine 
junge Stirn, den niemand im ganzen Deutschen Reiche dir neiden wird!“ 
Prinz Heinrich, ein braver, ehrlicher Mann, antwortete, tief ergriffen, dem 
„Durchlauchtigsten Kaiser! Großmächtigsten König und Herrn! Dem Er- 
lauchten Bruder!” : ‚Euer Majestät erblühte die Kaiserkrone mit Dornen.“ 
Den Gipfel seiner Rede bildeten die Sätze: „Das eine versichere ich Euer 
Majestät: mich lockt nicht Ruhn, mich lockt nicht Lorbeer, mich zieht nur 
eines: das Evangelium (!) Euer Majestät geheiligten Person im Ausland 
zu kündigen, zu predigen jedem, der es hören will, und auch denen, die es 
nicht hören wollen.‘ 
Und das alles für ein einfaches Auslandskommando, das aller Wahrschein- 
lichkeit nach keine Gelegenheit zu kriegerischen Zusammenstößen bieten 
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