durchgesetzt haben. Man hätte ihn anerkannt und ihm vertraut, abgesehen
von Zentrum, Sozialdemokraten und Demokraten. Diesen Reichsfeinden
gegenüber aber würde er in seiner Eigenschaft als Monarch sogar unerschüt-
terlich und unbesiegbar geworden sein.
Den geschichtlichen Nimbus von Königtümern und Fürstentümern hatte,
neben der Französischen Revolution, zuerst Napoleon beseitigt, dann Bis-
marck, als er in Deutschland rücksichtslos über alte Fürstenhäuser und Legi-
timitäten hinwegschritt. Über dem ganzen Jahrhundert aber lag, besonders
in dessen letztem Drittel, bis tief in die von vornherein konservativen Kreise
hinein, mehr oder weniger verdünnt, hier und da die liberale Atmosphäre.
Dicht an der Republik war Preußen schon gewesen, das Königtum und mit
ihm Preußen selbst zu höchster Macht hatte Bismarck emporgehoben und
dann dem König von Preußen auch die Kaiserkrone aufgesetzt, alles in
schroffem Gegensatz zum ‚Zug der Zeit‘. Als er mit seiner Kraft nicht mehr
da war, begann mit demselben Augenblick in unausweichlicher Folgerichtig-
keit aufs neue die Zeit des Kampfes aller nichtmonarchischen Strömungen
gegen die Monarchie, unter verschiedenen teils neuen Formen, von meh-
reren Seiten und auf lange Sicht. Dies hat Kaiser Wilhelm II. nie tiefer er-
kannt, in bestem Falle oberflächlich und deshalb unrichtig gesehen. Das
erste Zeichen seines Unverständnisses bildete seine erste große Regierungs-
handlung, die Entlassung des Neuschöpfers der Monarchie und ihrer Macht-
grundlage. In vielen Farben freilich schillerte Wilhelm II.: am besten ver-
stand er sich mit Liberalen, besonders wenn sie ihn als den modernen Herr-
scher priesen, der aller neuzeitlichen Entwicklung die Wege bahne, Verständ-
nis für ‚Handel und Wandel‘ und für die Weltwirtschaft besitze.
Bismarcks Kraft und Ansehen und die Ehrwürdigkeit und Weisheit des
alten Kaisers waren nicht mehr da. Die von Bismarck in ihrer vollen Ge-
fährlichkeit erkannten, gegen Reich, Vaterland und Monarchie arbeitenden
Kräfte in Deutschland waren stärker und mächtiger denn je zuvor da, zum
Teil in neuen Formen. Die Aufgabe für den neuen Kaiser und seine Ratgeber
war: der Monarchie, ihrem Ansehen im Volke neue Eigenkräfte einzuhauchen,
und zwar in Formen, die der Sprache, der Denkweise und Anschauungsart
der Gegenwart entsprachen und in die Zukunft wiesen. Die Aufgabe war
schwer, um so schwerer, als die liberalen und demokratischen Phrasen in
Europa wie in Amerika auf die deutsche Bevölkerung in ihrem Durchschnitt
von so starkem Einfluß blieben, etwa nach der Weise: die alte Zeit mit ihren
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