Die Gattin Philipp Eulenburgs schreibt hierzu (im Vorwort zu den von ihr
herausgegebenen Briefbänden des Fürsten Eulenburg ‚Mit dem Kaiser als
Staatsmann und Freund auf Nordlandreisen‘‘): ‚Obwohl Eulenburg kein
Spielverderber war und gern mit scherzte, sah er es doch ungern, wenn ge-
wisse Grenzen überschritten wurden, bei denen würdige (?) Herren sich ge-
schmeichelt dazu hergaben, vor Seiner Majestät den Hanswurst zu spielen.
Philipp Eulenburg war einer der ganz wenigen, dem niemals solches zu-
gemutet wurde, da man genau wußte, daß er sich niemals dazu hergegeben
hätte.“
Für die Wesensart, besonders den Geschmack des Kaisers sind solche
„Züge‘ geschichtlich bezeichnend, immerhin waren sie seine Privatsache.
Anders war schon damals der folgende Vorgang zu beurteilen:
Im Sommer 1902 lud der Kaiser für seine Nordlandreise auf die ‚Hohen-
zollern‘‘ neben anderen auch ein: die reichen Juden Bleichröder, Arnhold,
Isidor Loewe, Markus u. a. m. Das sozialdemokratische Parteiorgan, der
‚Vorwärts‘, schrieb hierzu: ‚Das ist die neue Hofgesellschaft, derentwegen
die Junker auf ihren Stammsitzen Simplizissimusstimmungen äußern.‘ —
Das jüdische Marxistenblatt sah die Situation nicht unrichtig und seine
Freude war verständlich. Freilich waren auch die ‚Junker‘ zu einem
keineswegs kleinen Teil dem reichen Judentum keineswegs unfreundlich
gesinnt.
Die Tagebücher Eulenburgs von den jährlichen Nordlandsfahrten zeigen
ein Niveau der täglichen Unterhaltungen, das nicht eben als hoch bezeichnet
werden kann. Es ist geradezu auffallend, wie die verschiedenartigsten Men-
schen, die öfter mit dem Kaiser zusammen waren, immer wieder feststellen,
die liebste gesellschaftliche Unterhaltung sei dem Kaiser ein gewisser Leut-
nantston gewesen, über den er nie hinausgewachsen sei; bei den wirklichen
Leutnants jener Zeit war jener Ton eine Episode, dem Kaiser war er dauernd
eigen. In einem vorhergehenden Abschnitt haben wir den Bericht von Tir-
pitz gelesen, wie der Kaiser bei dem achtzigjährigen Bismarck durch diesen
Ton kleiner Geschichtchen und Witzchen jedem ernsten Thema, das Bis-
marck anschlug, aus dem Wege ging. Wer sich am Hofe gesellschaftlich be-
liebt machen wollte, brachte, falls er das erforderliche ‚‚Talent‘‘ dafür besaß,
solche Geschichten und sogenannte Anekdötchen mit. Alles in allem: die
Würde fehlte, der Takt, der Geschmack, die Arbeit an sich selbst. Dem Ver-
fasser drängte sich, vor einem Menschenalter, jene Mahnung auf, die in
Shakespeares ‚Heinrich IV “, der Vater seinem Sohn, dem nachherigen
Heinrich V., gibt. Als Beispiel nimmt er den von ihm entthronten Richard II.,
den er als würdelos und geschmacklos kennzeichnet:
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