dem Reichsgedanken gedient hatten, mit diesem und jenem geschlossen und
den Tag nachher mit jenem und diesem.
Allein Friedrich der Große hatte seinen Krieg gegen Habsburg um eines
großen und zukunftträchtigen Gedankens geführt. Und doch! Die fürstliche
Titelsucht war geblieben, sie hatte während der Napoleonischen Herrschaft
ihre Gipfel erreicht, jedenfalls den unrühmlichen Gipfel ihres Erfolges. Bei
den Fürsten war es hiermit nicht anders als bei den Adligen, zu einem großen
Teil, und ebenso wuchs die Titelsucht des Bürgertums im neunzehnten Jahr-
hundert mit jedem Jahrzehnt, rühmliche Ausnahmen natürlich bei beiden
zugegeben. Aber ein Kaiser, das hat ja auch unsere Schilderung der Kämpfe
zu Versailles 1870/71 gezeigt, war eben ‚höhere Klasse‘. Nur der alte Wil-
helm der Erste von Preußen zeigte hier charaktervolle Vornehmheit.
Es war die Französische Revolution, die alle diese Monarchen im Zeichen
der Furcht für ihre Throne zusammengeschlossen hatte, sie zur Herde zu-
sammengeschlossen, stets wachsam umkreist vom Schäferhund Metternich.
Im übrigen kam bei wohl den meisten jener Fürsten und Adligen ein hand-
fester persönlicher und Familienegoismus in Frage.
Wohl nur ein einziger begeisterte sich ehrlich für die alte deutsche Kaiser-
krone ohne Eigennutz und ohne Ehrgeiz, nämlich Friedrich Wilhelm IV.
von Preußen. Er sah die Kaiservergangenheit in romantischem, beinahe
mythischem Glanze, er schwärmte für den deutschen, den großdeutschen
Gedanken, aber ohne Ehrgeiz, die Krone zu tragen, noch vollends, sie irgend-
einem anderen Fürsten und gar dem Wiener Kaiserhaus streitig machen zu
wollen. Aber er fühlte wohl auch, in-der großen Aufrichtigkeit, die ihm eigen
war, daß er nicht der Mann für ein solches Unternehmen war. Bismarck
schreibt von ihm:
„Friedrich Wilhelms des Vierten deutsches oder, wie er schrieb, ‚teutsches’
Nationalgefühl war erheblich lebhafter als das seines Vaters, aber durch
mittelalterliche Verbrämung und durch Abneigung gegen klare, feste Ent-
schlüsse in der praktischen Betätigung gehemmt. Daher versäumte er die
Gelegenheit, dieim März 1848 günstig war; und es sollte das nicht das einzige
Versäumte bleiben.‘ An einer anderen Stelle sagt Bismarck: ‚Der latente
deutsche Gedanke Friedrich Wilhelms trägt mehr als seine Schwäche die
Schuld an den Mißerfolgen unserer (der preußischen) Politik nach 1848.‘
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