Metadata: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
58 Die katholische Kirche. VIII. Buch. 
solche, sondern der Mißgriff derjenigen, welche die unrichtigen Personen an die Stelle 
gebracht hätten. 
Her Kulturkampf. Sei dem wie ihm wolle, die Aufhebung der katholischen Ab- 
teilung mußte, zumal im Zusammenhang mit anderen Maß- 
regeln vorher und nachher, die Uberzeugung hervorrufen, daß man zur Kirchenpolitik 
der dreißiger Jahre, die zum „Kölner Ereignis“ geführt hatte, zurückkehren, ja sie noch 
überbietten wolle. Bismarck hatte gut sagen, derjenige verleumde die Regierung Seiner 
Majestät, welcher ihr die Absicht einer Verfolgung der katholischen Kirche zuschreibe. 
Gewiß glaubt heute kein ruhig denkender Katholik, daß die preußische Regierung jene 
Absicht gehabt habe. Aber ob damals angesichts der gesetzgeberischen Maßnahmen und 
namentlich ihrer Ausführung durch niedere Organe viele Katholiken zum Glauben an 
jene Botschaft sich entschließen konnten, ist eine andere Frage. Der Fehler des eisernen 
Kanzlers war, daß er sich und seinen einseitig gewählten Ratgebern die Entscheidung 
darüber zutraute, was zum religiösen Leben des Katholiken gehöre, was nicht, was 
katholisch, was ultramontan sei — ein Zrrtum, der ihn tief ins religiöse Leben eingreifen, 
die Gefühle der Gläubigen aufs schmerzlichste verletzen ließ. Und sein Unglück wollte 
es, daß er dabei lärmende Bundesgenossen in Kreisen fand, die nicht nur die katholische, 
sondern jede positive Religion haßten. Solche Beobachtungen boten den stärksten An- 
halt zu jener Meinung, die freilich Bismarck von seinem Standpunkte aus als Verleum- 
dung bezeichnen konnte. „Eine Gesetzgebung, die bestimmt war, durch ihre Schärfe den 
Klerus zu beugen unter die Gerechtigkeit des Staates, ist zur religiösen Erzürnung eines 
katholischen Volkes geworden,“ urteilte Karl Hafe. 
  
Friedensschluß. Wie der größte Feldherr am Beginne des Zahrhunderts die Macht 
der nationalen Zdee verkannt hatte, so hatte der größte Staats- 
mann am Ausgange desselben die Gewalt der religiösen Idee unterschätzt. Aber der 
eiserne Kanzler trug kein Bedenken, umzukehren, nachdem er den betretenen Weg als 
nicht zum Ziele führend erkannt hatte;; er selbst leitete den Abbau des Kulturkampfes ein. 
Beim Tode Kaiser Wilhelms I. waren die am empfindlichsten ins kirchliche Leben ein- 
schneidenden Gesetze beseitigt. Die preußischen Bischöfe konnten in ihrer Huldigung vom 
29. August 1888 an Wilhelm II. es begrüßen, daß noch der Lebensabend seines höchst- 
seligen Großvaters durch die ersten Strahlen friedlicher und wohlwollender Beziehungen 
zwischen Kirche und Staat verschönt worden sei. Wennm aber auch nach Aufhebung der 
drückendsten Gesetze keine neuen Wunden mehr geschlagen wurden, so bluteten und schmerz- 
ten doch teilweise noch die alten, konnten auch infolge von mancherlei Reibungen nicht 
verheilen. Uberhaupt zeigten sich verschiedene Nachwehen des überstandenen Kampfes. 
So galt es beim Ausgange der Regierung des alten Kaisers, die schmerzlichen Er- 
innerungen durch freundliche Behandlung der VBerletzten möglichst rasch und möglichst 
vollständig vergessen zu machen, das noch junge gegenseitige Vertrauen zu hegen und zu 
stärken, das im Hintergrunde da und dort noch lauernde, von mancher Seite geflissentlich 
genährte Mißtrauen zurückzudrängen, ein freudiges Zusammenwirken zu ermöglichen. 
  
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