fullscreen: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

838 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 195a. 
ein Musterbeispiel liefert die Kriegsverfassung des Deutschen 
Bundes?, 
Von den Zwischenformen, welche unitarische mit föderalisti- 
schen Gedanken zu vereinigen suchen, ist für das Verständnis 
der Geschichte wie des Systems der heutigen deutschen Heeres- 
verfassung besonders wichtig diejenige, welche das Kontingents- 
system beibehält, es aber im zentralistischen Sinne modifi- 
ziert, indem sie einmal den Einzelstaaten zwar das Recht der 
Verwaltung, nicht aber das der Verwendung ihrer Truppen be- 
läßt, m. a. W. das ius belli ganz auf die Zentralgewalt überträgt, 
zweitens die Einzelstaaten verpflichtet, nicht nur einen Teil, 
sondern das Ganze ihrer Streitkräfte der Zentralgewalt zur Ver- 
fügung zu stellen, so daß sie mehr und andere Truppen als die, 
welche ihr Bundeskontingent bilden, nicht aufstellen dürfen, 
drittens endlich die Gesamtheit aller Kontingente, also das Bundes- 
heer, der Gesetzgebung, Aufsicht und dem auch in Friedenszeiten 
wirksamen ÖOberbefehl der Bundesgewalt unterstellt. Dieses ist 
das System der Reichsverfassung von 1849 und der Er- 
furter Unionsverfassung von 1850 (oben 173). Nach 
der RV von 1849* „steht der Reichsgewalt ausschließlich das 
Recht des Krieges und Friedens zu“. Aber sie führt ihre Kriege 
nicht mit einem eigenen Heer, sondern mit den Streitkräften der 
Einzelstaaten; es steht ihr (gleichsam ein Recht an fremder Sache) 
„die gesamte bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung“. 
Diese bewaffnete Macht, „das Reichsheer“, „besteht aus der ge- 
samten, zum Zwecke des Krieges bestimmten Landmacht der 
einzelnen deutschen Staaten“. „Die Stärke und Beschaffenheit 
des Reichsheeres“ wird durch Reichsgesetz geregelt, wie überhaupt 
der Reichsgewalt „in betreff des Heerwesens die Gesetzgebung 
und die Organisation“ ausschließlich zusteht. Ganz unitarisch 
gestaltet ist nach der RV von 1849 die Seemacht; sie ist „aus- 
schließlich Sache des Reichs“®, Die gleichen Prinzipien zeigen 
sich in den Preußischen Grundzügen vom 10. Juni 1866 
(oben 183, 184). Nach ihnen ist nur die Kriegsmarine als eine 
vollkommen einheitliche (preußischem Oberbefehl unterstellte) An- 
stalt des künftigen Bundes gedacht®, das Landheer dagegen ganz 
auf dem durch die Geschichte vorgezeichneten Kontingentsystem 
aufgebaut: es ist gleichbedeutend mit dem Inbegriff der „bundes- 
beschlußmäßigen Kontingente“ der Einzelstaaten”. Diese Be- 
stimmungen bilden die unmittelbare geschichtliche Grundlage der 
rechtlichen Ordnung, welche das deutsche Kriegswesen durch die 
Norddeutsche Bundesverfassung, dann die Reichsverfassung emp- 
fangen hat.] 
8 Oben $ 50 8. 140, 141. 
“88 10-13. 
819 
* Grundzüge vom 10. Juni 1866, Art. VII, 
1 Art. IX.
	        
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