Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1902. (36)

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§. 74. 
Der Schiffsmann kann seine Entlassung fordern: 
1. wenn sich der Kapitän einer schweren Verletzung seiner Pflichten gegen 
den Schiffsmann, insbesondere durch Mißhandlung oder durch Dul- 
dung solcher seitens anderer Personen der Schiffsbesatzung, durch 
grundlose Vorenthaltung von Speise und Trank oder durch Ver- 
abreichung verdorbenen Proviants schuldig macht; 
2. wenn das Schiff die Flagge wechselt; 
3. wenn nach Beendigung der Ausreise eine Zwischenreise beschlossen, oder 
wenn eine Zwischenreise beendigt ist, sofern seit dem Dienstantritt ein 
oder ein und ein halbes Jahr, je nachdem das Schiff in einem euro- 
pädischen (§. 82) oder in einem nicht europäischen Hafen sich befindet, 
verflossen ist; 
4. wenn das Schiff nach einem Hafen bestimmt ist, oder einen Hafen 
anlaufen soll, der schon zur Zeit der Anmusterung durch Pest, Cholera 
oder Gelbfieber verseucht war, sofern nicht dem Schiffsmanne bei der 
Anmusterung dieser Hafen und die Verseuchung mitgetheilt worden ist. 
Als verseucht im Sinne dieser Vorschrift gilt ein Hafen, in dem ein 
Pest-, Cholera- oder Gelbfieberherd vorhanden ist. Der Anspruch 
auf Entlassung fällt fort, sobald die Verseuchung aufgehört hat; 
5. wenn der Schiffsmann beabsichtigt, sich für die Maschinisten-,  Steuer- 
manns- oder Schifferprüfung vorzubereiten oder eine ihm nachweislich 
angebotene Stellung als Kapitän anzunehmen, sofern er einen geeigneten 
Ersatzmann stellt und durch den Wechsel dem Schiffe kein Aufenthalt 
entsteht. Ob der vorgeschlagene Ersatzmann geeignet ist, entscheidet im 
Streitfalle das nächste Seemannsamt. 
Der Wechsel des Rheders oder Kapitäns giebt dem Schiffsmanne kein 
Recht, die Entlassung zu fordern. 
 
S. 75. 
Im Falle des §. 74 Nr. 3 kann die Entlassung nicht gefordert werden: 
1. wenn der Schiffsmann für eine längere als die daselbst angegebene 
Zeit sich verheuert hat. Die Verheuerung auf unbestimmte Zeit oder 
mit der allgemeinen Bestimmung, daß nach Beendigung der Ausreise 
der Dienst für alle Reisen, welche noch beschlossen werden möchten, 
fortzusetzen sei, wird als Verheuerung auf solche Zeit nicht angesehen; 
2. sobald die Rückreise angeordnet ist. 
§. 76. 
Der Schiffsmann hat in den Fällen des §. 74 Nr. 1, 2 dieselben An- 
sprüche, welche für den Fall des §. 72 bestimmt sind.
	        
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