$ 30 Die Gerichtsbarkeit. 339
sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision
begründe !). Auch in denjenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche
besondere Gerichte zugelassen sind, kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz
auf Antrag des betreffenden Bundesstaates mit Zustimmung des Bundse-
rates durch Kaiserl. Verordnung dem Reichsgericht übertragen werden 2).
In Strafsachen ist das Reichsgericht zuständig in erster und letz-
ter Instanz für die Untersuchung und Entscheidung in den Fällen des Hoch-
verrats und des Landesverrates, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser
oder das Reich gerichtet sind °). In zweiter und letzter Instanz entscheidet
das Reichsgericht über die Rechtsmittel der Berufung und Beschwerde gegen
die Urteile und Entscheidungen der Konsulargerichte *), ferner über das
Rechtsmittel der Revision gegen die Urteile der Schwurgerichte 5), endlich
über das Rechtsmittel der Revision gegen erstinstanzliche Urteile der Straf-
kammern der Landgerichte, sofern das Rechtsmittel nicht ausschliesslich
auf Verletzung einer inden Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm
gestützt wird ®). In dritter Instanz ist das Reichsgericht in Strafsachen re-
gelmässig nicht zuständig. Jedoch kann an Stelle der Oberlandesgerichte
das Reichsgericht in Strafsachen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vor-
schriften über die Erhebung öffentlicher in die Reichskasse fliessen-
der Abgaben und Gefälle zuständig werden, sofern die Entscheidung des
Reichsgerichts von der Staatsanwaltschaft bei der Einsendung der Akten an
das Revisionsgericht beantragt wird ?).
b) Die besondere streitige Gerichtsbarkeit. Beson-
dere Reichsgerichte zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten sind die Ma-
rine-Strafgerichte und die Konsulargerichte in denjenigen Ländern, in wel-
chen die letzteren durch Herkommen oder durch Staatsvertrag gestattet
sind. Diese Länder sind gegenwärtig nur noch China, Siam, Persien, Korea,
sowie die Türkei mit den ihrer Oberhoheit unterworfenen Ländern. In Aegyp-
ten ist die Konsulargerichtsbarkeit beschränkt auf Statusfragen, Strafsachen
und bürgerliche Klagen um Mobilien und Geldschulden, bei welchen beide
Parteien deutsche Reichsangehörige oder Schutzgenossen sind ®). Die Kon-
1) EinfGes. z. ZivilprozO. Art. 6. Auf Grund dieser Ermächtigung sind die V.v.
28. Sept. 1879 (RGBil. 8.299) sowie die Gesetze v. 15. März 1881 (RGBl. S. 38), 24. Junl
1886 (RGBl. S. 207) und vom 30. März 1893 (RGBil. S. 139) ergangen.
2) EinfGes. zum GerichtsverfGes. $ 3 Abs. 2. Von dieser Befugnis haben Preussen,
Anhalt, Weimar, Meiningen, beide Schwarzburg, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Koburg-
Gotha (V. v. 30. Okt. 1907) Gebrauch gemacht hinsichtlich der in erster Instanz zur
Zuständigkeit der Generalkommissionen gehörenden Rechtsstreitigkeiten; ferner Preus-
sen, Hessen und Waldeck hinsichtlich der bürgerl. Rechtsstieitigkeiten der Landes-
herren und der Mitglieder des landesherrl. Hauses. Siehe die Verordnungen vom 26.
Sept. 1879 im RGBl. 1879 S. 287 ff.
3) GerichtsverfGes. $ 136 Ziff. 1. Hierdurch ist Art. 75 der RV. aufgehoben worden.
4) Ges. über die Konsulargerichtsbark. v. 7. April 1900 (RGBl. S. 213) $ 14.
5) GerichtsverfGes. $ 136 Ziff. 2.
6) Ebendas. in Verbindung mit $ 123 Ziff. 3.
7) GerichtsverfGes. $ 136 Abs. 2.
8) Ueber Aegypten vgl. Ges. v. 30. März 1874 (RGBi. S. 23); Verordn. v. 23.
Dez. 1875 (RGBil. S. 381), 23. Dez. 1880 (RGBl. S. 192), 6. Januar 1901 (RGBlI. S. 3);
4. Febr. 1904 (RGBl. 8. 61) u. V. v. 28. Juni 1908 (RGBl. S. 469). In Bulgarien
ist die Konsulargerichtsbarkeit beschränkt worden durch Verordn. v. 27. Febr. 1908
(RGBl. S. 63). Vgl. darüber das Jahrb. des öff. R. 1909 S. 421. InZanzibar ist die
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