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V. Ausweichen.
Gefahr des Zusammenstoßens.
Das Vorhandensein einer Gefahr des Zusammenstoßens kann, wenn die
Umstände es gestatten, durch sorgfältige Kompaßpeilung eines sich nähernden
Schiffes erkannt werden. Andert sich die Peilung nicht merklich, so ist anzunehmen,
daß die Gefahr des Zusammenstoßens vorhanden ist.
Artikel 17.
Sobald zwei Segelfahrzeuge sich so nähern, daß die Annäherung Gefahr
des Zusammenstoßens mit sich bringt, muß das eine dem anderen, wie nach-
stehend angegeben, aus dem Wege gehen:
a) Ein Fahrzeug mit raumem Winde muß einem beim Winde segelnden
Fahrzeug aus dem Wege gehen.
b) Ein Fahrzeug, welches mit Backbord-Halsen beim Winde segelt, muß
einem Fahrzeuge, welches mit Steuerbord-Halsen beim Winde segelt,
aus dem Wege gehen.
c) Haben beide Fahrzeuge raumen Wind von verschiedenen Seiten, so
muß dasjenige, welches den Wind von Backbord hat, dem anderen
aus dem Wege gehen.
d) Haben beide Fahrzeuge raumen Wind von derselben Seite, so muß
das luvwärts befindliche Fahrzeug dem leewärts befindlichen aus dem
Wege gehen.
e) Ein Fahrzeug, welches vor dem Winde segelt, muß dem anderen
Fahrzeug aus dem Wege gehen.
Artikel 18.
Sobald zwei Dampffahrzeuge sich in gerade entgegengesetzter oder beinahe
gerade entgegengesetzter Richtung so nähern, daß die Annäherung Gefahr des
Zusammenstoßens mit sich bringt, muß jedes seinen Kurs nach Steuerbord ändern,
damit sie einander an Backbordseite passieren.
Diese Vorschrift findet nicht Anwendung, wenn zwei Dampffahrzeuge,
sofern sie beide ihren Kurs beibehalten, frei voneinander passieren müssen.
Sie findet daher nur dann Anwendung, wenn bei Tage jedes der Fahr-
zeuge die Masten des anderen mit den seinigen ganz oder nahezu in einer Linie
sieht, und wenn bei Nacht jedes der Fahrzeuge in solcher Stellung sich befindet,
daß beide Seitenlichter des anderen zu sehen sind.
Sie findet keine Anwendung, wenn bei Tage das eine Fahrzeug sieht,
daß sein Kurs vor dem Buge durch das andere Fahrzeug gekreuzt wird, oder
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Reichs. Gesezbl. 1906.