96 Nr. 30 b. Schlußprotokoll z. Vertrag mit Bayern über die Verfasfung d. Deutschen Bundes.
VI.
Gegenwärtiger Vertrag tritt mit dem 1. Januar 1871. in Wirksamkeit.
Die vertragsschließenden Theile geben sich deshalb die Zusage, daß derselbe un-
verweilt den gesetzgebenden Faktoren des Norddeutschen Bundes und Bayerns zur
verfassungsmäßigen Zustimmung vorgelegt und, nach Ertheilung dieser Zustimmung,
im Laufe des Monats Dezember ratifizirt werden wird. Die Ratifikations-Er-
klärungen sollen in Berlin ausgetauscht werden.
Zu Urkund dessen haben die Eingangs genannten Bevollmächtigten diesen Ver-
trag in doppelter Ausfertigung am heutigen Tage mit ihrer Namensunterschrift und
ihrem Siegel versehen.
So geschehen Versailles, den 23. November 1870.
[Folgen die Unterschriften.]
Die Auswechselung der Ratifikations-Urkunden hat in Berlin stattgefunden.“)
Nr. 30b. Schlußprotokoll zu vorstehendem Vertrage.5
(BGBl. 1871 Nr. 5, S. 23.)
Bei der Unterzeichnung des Vertrages über den Abschluß eines Verfassungs-
bündnisses zwischen Seiner Majestät dem Könige von Preußen Namens des Nord-
deutschen Bundes und Seiner Majestät dem Könige von Bayern sind die unter-
zeichneten Bevollmächtigten noch über nachstehende vertragsmäßige Zusagen und Er-
klärungen übereingekommen:
I. Es wurde auf Anregung der Königlich Bayerischen Bevollmächtigten von
Seite des Königlich Preußischen Bevollmächtigten anerkannt, daß, nachdem sich das
Gesetzgebungsrecht des Bundes bezüglich der Heimaths= und Niederlassungsverhältnisse
auf das Königreich Bayern nicht erstreckt, die Bundes-Legislative auch nicht zu-
ständig sei, das Verehelichungswesen mit verbindlicher Kraft für Bayern zu regeln,
und daß also das für den Norddeutschen Bund erlassene Gesetz vom 4. Mai 1868..
die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließungen betreffend„#)
jedenfalls nicht zu denjenigen Gesetzen gehört, deren Wirksamkeit auf Bayern aus-
gedehnt werden könnte.
II.“) Von Seite des Königlich Preußischen Bevollmächtigten wurde anerkannt,
daß unter der Gesetzgebungsbefugniß des Bundes über Staatsbürgerrecht nur das
Recht verstanden werden solle, die Bundes= und Staatsangehörigkeit zu regeln und
den Grundsatz der politischen Gleichberechtigung aller Konfessionen durchzuführen,
daß sich im Uebrigen diese Legislative nicht auf die Frage erstrecken solle, unter
welchen Voraussetzungen Jemand zur Ausübung politischer Rechte in einem einzelnen
Staate befugt sei.
III. Die unterzeichneten Bevollmächtigten kamen dahin überein, daß in An-
betracht der unter Ziffer I. statuirten Ausnahme von der Bundes-Legislative der
Gothaer Vertrag vom 15. Juli 1851. wegen gegenseitiger Uebernahme der Ausge-
wiesenen und Heimathslosen, dann die sogenannte Eisenacher Konvention vom
11. Juli 1853. wegen Verpflegung erkrankter und Beerdigung verstorbener Unter-
thanen für das Verhältniß Bayerns zu dem übrigen Bundesgebiete fortdauernde
Geltung haben sollten.
1) Laut Gesetzbl. f. d. Königreich Bayern 1870/71, Sp. 151/152 am 29. Januar 1871.
S. oben S. 89 Anm. 1 u. 2.
2) Oben S. 62.
) Z. II verdankt ihre Fassung den Beschlüssen des Reichstags; s. Sten. Ber. S. 147,
148, 163, 164, Drucks. Nr. 12, S. 16; Nr. 27, S. 2; Nr. 29.