89
hinauf glichen einem großen Schlachtfelde von Leichen und Schutt-
haufen. An der Spitze des Aufruhrs in Thüringen stand Thomas
Müunzer, ein hoͤchst schwärmerischer Mann. Er rühmte sich besonderer
Offenbarungen Gottes, durch welche ihm das Wesen der christlichen
Freiheit weit klarer geworden sei, als Luther sie kenne und lehre. Es
solle, sprach er, ein ganz neues christliches Reich gestiftet werden, in
welchem völlige Gleichheit herrschen und alle Güter gemeinschaftlich
sein müßten In diesem Reiche bedürfte es nicht der Fürsten und
Obrigkeiten, nicht des Adels und der Geistlichkeit; im Christenthume
dürfe kein Unterschied sein zwischen Reich und Arm. Solche Lehren
erwarben ihm zahlreiche Anhänger; besonders waren es die Bauern,
die mit großer Hoffnung auf diesen neuen Propheten blickten. Unter
seiner Anführung zogen sie von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf
uand verwüsteten und zerstörten Alles mit Feuer und Schwert. Aber
bald schlug die Stunde der Rache. Die Fürsten rüsteten sich. Ihr
Heer marschirte gegen Frankenhausen, wo die Bauern ihr Feldlager
aufgeschlagen hatten. Bevor der Angriff erfolgte, schickten sie einen
Edelknaben ins Lager der Bauern und ließen ihnen sagen: Wenn ihr
friedlich auseinandergeht und die Rädelsführer ausliefert, so soll Gnade
für Recht ergehen. Da hielt Münzer eine feurige Rede an die Bauern,
die mit den Worten endigte: „Fürchtet euch nicht vor den Kugeln der
Feinde; ich werde alle mit einem Aermel auffangen; wer in der vor-
dersten Reihe niedergeschossen wird, der steht in der hintersten wieder
auf.“ Die Bauern blickten noch unschlüssig auf ihn und seinen Aermel.
Münzer aber ließ den Abgesandten in Stücke hauen, um so den Weg
zu einem gütlichen Vergleiche vollständig abzuschneiden. Nun griffen
die armen Betrogenen zu ihren Sensen, Piken und Schwertern. Der
Kampf entbrannte, die Kugeln sausten, aber das Heer der Bauern stob
wie Spreu auseinander. Münzer hatte beim ersten Kanonenschusse
schon die Flucht ergriffen und sich in Frankenhausen auf einem Heu-
boden versteckt. Die Bauern baten um Gnade; aber es war zu spät.
5000 wurden erschlagen, Viele niedergeritten, die Gefangenen aber nebst
dem Rädelsführer Münzer hingerichtet. (1525.)
Was Münzer gelehrt, war durch seinen Tod nicht ausgerot-
tet. Einige seiner Schüler gingen nach Holland und warben sich
hier neue Anhänger, die zu einer Secte, die Wiedertäufer ge-
nannt, zusammen traten. Diesen Namen erhielten sie dadurch, daß
Alle, die zu ihnen gehören wollten, sich noch einmal taufen lassen
mußten, weil, wie sle sagten, die Kindertaufe keine wahre Taufe sei, da
ja die Kinder nichts davon verständen und auch in der heiligen Schrift