92 Dritter Abschnitt. Die innere Verwaltung. 827.
II. Die Sicherheitspolizei, auf welche der Begriff der eigentlichen Polizei
im Gegensatz zur Wohlfahrtspflege-(Staats-, Kulturpflege) jetzt mehr oder minder
beschränkt zu werden pflegt, hat durch Mittel der obrigkeitlichen Gewalt als
öffentliche (höhere) Sicherheitspolizei den Gefahren entgegenzutreten, welche von
einer Personenmehrheit oder von Einwirkungen auf eine solche Mehrheit der öffent-
lichen Ordnung drohen, und als niedere oder Einzelsicherheitspolizei gegen deren
Gefährdung oder Störung durch Einzelne Schutz zu gewähren 1). Dem ersteren
Zweck dient die durch die Reichsgesetzgebung geregelte Polizei der Presse und
der politischen Vereine und Versammlungen 2), dem andern landesrechtlich in
Betreff der Fremdenpolizei das Gesetz über An= und Abmeldung beim Aufent-
halts-- und Wohnungswechsel vom 13. April 1894 Nr. 15 und in Bezug auf
bestrafte Verbrecher die Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 11. Novem-
ber 1903 Nr. 70, erlassen zur Ausführung der §§ 38 und 39 des RStB.
wegen Stellung unter Polizeiaussicht. Diese Maßnahme ist zulässig bei begrün-
deter Besorgnis, daß der Verurteilte die wiedererlangte Freiheit in gemeinge-
fährlicher Weise mißbrauchen werde, und sie erfolgt in der Regel auf die Dauer
von mindestens sechs Monaten. Zuständig für die Verfügung ist ohne Rücksicht
auf die Staatsangehörigkeit des Verurteilten die Landespolizeibehörde, zu deren
Bezirk der Aufenthaltsort desselben gehört und nach welchem er daher entlassen
wird, bei Ermangelung eines solchen innerhalb des Reichsgebiets aber diejenige
Landespolizeibehörde, in deren Bezirk die Freiheitsstrafe verbüßt wurde. War
gleichzeitig auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht und auf Ueberweisung an die
Landespolizeibehörde erkannt und ward von dieser eine korrektionelle Nachhaft
festgesetzt, so ist die Beschlußfassung über die Stellung unter Polizeiaufsicht, falls
die Vollstreckung der Nachhaft in unmittelbarem Anschluß an die Strafhaft sicher-
gestellt ist, bis kurz vor Beendigung der Nachhaft auszusetzen. Zur Aufnahme
von Personen, rücksichtlich deren auf Grund des 362 des StG#B. auf Ueber-
weisung an die Landespolizei nach verbüßter Strafe erkannt wurde, dient ein
Arbeitshaus, welches der Leitung des Oberstaatsanwalts untersteht 3).
Von besonderen landesgesetzlichen Vorschriften sicherheitspolizeilichen Inhals sind
noch zu erwähnen die Bestimmungen über den Verkehr mit Giftwaren 4), mit
Schießpulver und anderen leicht explodierenden oder entzündlichen Stoffen 5), über
1) Dieser durch L. von Stein, Seydel, Schulze u. A. vertretenen Unterscheidung
folgt auch das Urteil des OLG. Braunschweig in Zschr. für Rechtspflege Bd. 42, S. 7 fg.
Ebendort nähere Ausführungen über Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitspolizei. Inhaft-
nahme ist in einem Reskript des Staatsministeriums vom 8. Mai 1863 (Bege, Repert. Bd. 9
S. 385) als „fürsorgliche Einsperrung“" in allen Fällen für zulässig erachtet worden, wo „sie
zur Erreichung eines in der Aufgabe der Landespolizeibehörden liegenden Verwaltungszwecks
als notwendig erscheint“. S. auch Zschr. f. Rspfl. Bd. 34 S. 13 fg.
2) AusfBk. zum Reichsvereinsgesetz: Bk. vom 12. Mai 1908 (öffentl. Bekanntmachung der
Veranstaltung öffentl. Versamlungen an Stelle der Anzeige bei der Polizeibehörde (zu § 5 u.
6 des RG.), Polizeibehörde (im Sinn des RG. § 7, Abs. 1): soweit es sich um Genehmigung
öffentlicher Versammlungen unter freiem Himmel handelt, die Landespolizeibehörde, im übrigen
die Ortspolizeibehörde). Der Sprachenparagraph hat für das Herzogtum keine Bedeutung.
3) G. vom 22. Dezember 1870 Nr. 119.
4) G. vom 9. Juni 1895 Nr. 35 u. vom 23. Aug. 1901 Nr. 45, VO. vom 18. Febr. u.
20. Aug. 1897 Nr. 7 u. 17, vom 5. März 1906 Nr. 17, PSt GB. & 5, Nr. 2 und 3.
5) PStGB. 5 5, Nr. 4 bis 7, § 9 Nr. 11, Bk. vom 27. Mai u. 2. Novemb. 1905 Nr. 30
u. 47.