Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

8 42. VI. Geistige Verwaltung: Das Verhältnis der Glaubensgesellschaften im Staate. 143 
  
freiung von diesem Alterserfordernis zur Teilnahme an solchen Religionshand- 
lungen, durch welche eine Religionsgemeinschaft von einer anderen sich wesent- 
lich unterscheidet, ist für den Fall, daß ein Kind einem anderen Bekenntnis, als 
dem, in wechem es zu erziehen ist, zu folgen begehrt, unstatthaft und, von welcher 
kirchlichen Stelle sie auch erteilt sein mag, nichtig. Auch darf niemand zu einem 
Wechsel des Bekenntnisses oder zur Teilnahme an den Religionshandlungen einer 
anderen Konfession zugelassen werden, bevor er nicht, falls evangelisch, einem 
Geistlichen seines Wohnorts, falls Katholik, einem im Herzogtum zu kirchlichen 
Amtshandlungen berechtigten katholischen Geistlichen seine Absicht angezeigt und 
die Anzeige sich hat bescheinigen lassen. Soll unter dienstlicher Mitwirkung eines 
katholischen Geistlichen ein Begräbnis auf evangelischem Friedhofe stattfinden, so 
ist davon dem evangelischen Pfarrer zuvor Mitteilung zu machen und der Nachweis 
zu erbringen, daß der Beerdigung polizeiliche Hindernisse nicht entgegenstehen. 
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Gesetzes werden mit Geld- 
strafe, in einigen Fällen (PSt GB. F 11) daneben auch mit Haft bestraft. — 
Das Recht der katholischen Gemeinde in der Stadt Braunschweig zur Er- 
hebung von Kirchensteuern (nach dem Gemeindesteuerfuß) ist durch G. vom 
7. Dezember 1898 Nr. 57, die entsprechende Befugnis der reformierten Gemeinde 
ebendort (der einzigen reformierten Gemeinde des Herzogtums) durch G. vom 
14. März 1904 Nr. 19 geordnet. — 
Die in Beziehung auf die Juden ehedem bestehenden Rechtsungleichheiten 
sind durch die Gesetzgebung von 1848 beseitigt worden. Nach dem G. vom 
1. April 1908 Nr. 23 kann den einzelnen jüdischen Gemeinden, falls ihre Sta- 
tuten bestimmten Anforderungen (Ordnung der Verfassung und Verwaltung des 
Gemeindehaushalts, der Besteuerung nach dem Einkommen) genügen, von der 
Landesregierung die Eigenschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit der 
Wirkung beigelegt werden, daß ihr alle Personen jüdischen Bekenntnisses ange- 
hören, die in ihrem Bezirk ihren Wohnsitz oder länger als 3 Monate ihren 
Aufenthalt haben. Die jüdischen Gemeinden unterstehen in den Städten, sofern 
sie sich über deren Bezirk nicht hinaus erstrecken, der Aufsicht des Stadt- 
magistrats, in allen übrigen Fällen der Aussicht derjenigen Kreisdirektion, in deren 
Bezirk die Gemeinde ihren Sitz hat. Die Geschäfte des Landesrabbiners führt 
der Rabbiner der jüdischen Gemeinde zu Braunschweig, unter Aufsicht der dor- 
tigen Kreisdirektion. 
Das Gesetz, die Verhältnisse der Dissidenten betreffend, vom 25. März 
1873 Nr. 62 hat jedem volljährigen Staatsbürger auch den Austritt aus einer 
der drei christlichen Glaubensgesellschaften, wie aus der jüdischen Religions-= 
genossenschaft ohne gleichzeitigen Uebertritt zu einer anderen dieser Religionsge- 
meinschaften freigegeben. Der Austretende gilt jedoch so lange als Mitglied seiner 
bisherigen Kirchengemeinde oder Religionsgenossenschaft, als er nicht seinen Aus- 
tritt persönlich dem Amtsrichter seines Wohnorts zu Protokoll angezeigt und 
nachgewiesen hat, daß er seinem zuständigen Pfarramt, bezw. dem Rabbiner min- 
destens vier Wochen vorher die Absicht, auszutreten, mitgeteilt habe. Ueber die 
religiöse Erziehung ehelicher Kinder der Dissidenten bis zum 14. Lebensjahre
	        
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