144 Dritter Abschnitt. Die innere Verwaltung. 8 43.
entscheidet der Vater, uneheliche folgen der Mutter. Vom Religionsunterricht in
der Schule sind die schulpflichtigen Kinder entbunden, wenn nachweislich für ihre
religiöse Heranbildung 1) anderweitig durch zureichenden Unterricht gesorgt wird.
Vom vollendeten 14. Lebensjahr an ist den Kindern bei einem Religionswechsel
der Eltern Aenderung ihrer Religion freigegeben. — Ueber die Dissidenten
werden bei den Amtsgerichten Verzeichnisse (Dissidenten-Register) geführt, wegen
deren Einrichtung das Nähere im Verordnungswege bestimmt ist. Zur Leistung
von Parochialabgaben, soweit diese nicht auf Grundstücken lasten, sind Dissidenten
nicht verbunden.
Zur Uebung eines religiösen Kultus bedürfen Vereine oder Genossenschaften
der staatlichen Genehmigung auf Grund vorzulegender Statuten. Sie wird er-
teilt, wenn „die in den Statuten festzustellenden Religionsgrund sätze und Normen
für die Religionsübung mit der Ehrfurcht gegen Gott, dem Gehorsam gegen die
Gesetze und der allgemeinen Sittlichkeit vereinbar sind und nicht in der geringen
Zahl der Teilnehmer oder in deren Persönlichkeiten Grund zu Zweifeln über den
zweckentsprechenden Fortbestand liegt“ (DissG. vom 25. März 1873 K+. 19). Die
erteilte Genehmigung gibt der Religionsgesellschaft das Recht, unter staatlicher
Aufsicht gottesdienstliche Zusammenkünfte in dazu bestimmten Räumen zu veran-
stalten und dort, wie in Privatwohnungen der Mitglieder die ihren Religions-
grundsätzen entsprechenden Gebräuche auszuüben, auch eigene Prediger und Reli-
gionslehrer anzunehmen. Das Reichsvereins G. vom 19. April 1908 findet auf
derartige Religionsgenossenschaften keine Anwendung. Korporative Rechte werden
nur durch besondere Verleihung der Landesregierung begründet (Diss G. § 20).
s 43. VII. Das Finanzwesen der Selbstverwaltung.
I. Die Gemeinden. — Die Reform des staatlichen Steuersystems, welche
im Jahr 1896 durch Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer eingeleitet
wurde (s. § 25), hat auch eine durchgreifende Aenderung des Gemeindesteuer-
wesens nach sich gezogen. Die derzeitige Vereinbarung, daß künftig neben der Staats-
einkommensteuer nur 2500 der staatlichen Grund= und Gewerbesteuer zur Hebung
kommen, die übrigen 7500 dieser Realsteuern aber den Gemeinden überwiesen
werden sollten, erforderte eine Neugestaltung der gesamten Gesetzgebung über
die Erhebung der Gemeindeabgaben. Nach den Grundsätzen der Gemeinde-
ordnungen war bisher für Städte als Regel die Deckung des gesamten Steuer-
bedarfs aus dem Einkommen vorgesehen und die Belastung des Grundbesitzes
bis höchstens zu ½ des Steuerbedarfs gestattet, während in den Landgemeinden
die Hälfte der Steuern dem Grundbesitz, die andere dem Einkommen oblag
und nur mittelst Statuts Grundbesitz oder Einkommen mit ¾ des Bedarfs bei
entsprechender Entlastung der anderen Steuerquellen in Anspruch genommen
werden durfte. An Stelle dieser unzulänglichen, hauptsächlich nach dem Steuer-
bedarf sich richtenden Verteilungsart setzt das Gemeindeabgabengesetz vom
11. März 1899 Nr. 12 2) das auf die Leistungsfähigkeit (den Ertrag) der Steuer-
1) Ueber deten Inhalt (Aufrechterhaltung des Gottesbewußtseins): Zeitschr. für Rechtspfl.
Bd. 41 S. 129 fg.
2) Ab G. vom 10. Dezember 1900 Nr. 64 und vom 28. März 1904 Nr. 21.