160 Anhang: I. Neue Landschafts-Ordnung für das Herzogtum Braunschweig 5594—101.
Urkundlich Unserer Unterschrift und beigedruckten Herzoglichen Geheime-Kanzlei-
Siegels.
Braunschweig, den 6. Mai 1899.
(L. S.) Albrecht, Prinz von Preußen.
von Otto. Spies. Hartwieg.
Zweiter Teil.
Von den Rechten und Pflichten der LTandschaft.
Erster Abschnitt.
Allgemeine Grundsätze.
§ 94. Die Landstände haben die heilige Pflicht, in ihrem Wirkungskreise, der
Verfassung gemäß, die Wohlfahrt des Vaterlandes, frei von anderen Rücksichten,
gewissenhaft zu befördern.
§ 95. Sie sind schuldig, bei Ausübung ihrer ständischen Rechte und Befugnisse
die Verfassung genau zu beobachten, und dürfen sich nur mit den Gegenständen
belchäftigen, welche Bestimmungen der Verfassung ihrem Wirkung kreise überwiesen
aben.
6 966. Alle Abgeordneten sind in ihren landschaftlichen Rechten und Pflichten
einander gleich. Keiner ist als der besondere Vertreter seiner Standesklasse zu be-
trachten.
Zweiter Abschnitt.
Einzelne Rechte und Pflichten der Ständeversammlung.
I. Mitwirkung im Finanzwesen.
6 97. Die Bestimmungen über die Mitwirkung der Ständeversammlung im
Finanzwesen sind im 6. Kapitel enthalten.
II. Mitwirkung bei der Gesetzgebung.
§ 98. a) Fälle, wo die Zustimmung der Stände erforderlich ist. Die ständische
Zustimmung ist erforderlich:
1) wenn dieses Landesgrundgesetz, oder die mit demselben erlassenen Gesetze
ergänzt, erläutert oder abgeändert,
2) wenn neue organische Staatseinrichtungen getroffen oder die bestehenden
verändert,
3) wenn Landesgesetze gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt
werden, die das Landes-Finanz= und Steuerwesen, die Militärpflichtigkeit
und die Aushebung der Mannschaften, das bürgerliche oder Straf-Recht, den
bürgerlichen oder Straf-Prozeß betreffen.
8 99. b) Fälle, wo das Gutachten der Stände erfordert wird. Bei allen
übrigen, namentlich den das Landespolizeiweisen betreffenden gesetzlichen Bestim-
mungen müssen die Stände zuvor mit ihrem Gutachten und Rat gehört, und es
können in solchen Gesetzen Polizeistrafen bis zu einmonatigem einfachen Gefängnis
oder diesem entsprechenden Geldstrafen angedrohet werden.
§ 100. c) Form der Gesetze. Die Gesetze sollen im Eingange der erfolgten Zu-
stimmung, oder des vorher angehörten Gutachtens und Rats der Ständeversamm-
lung oder des ständischen Ausschusses ausdrücklich Erwähnung tun.
Alle in dieser verfassungsmäßigen Form von dem Landesfürsten verkündigten
Gesetze müssen von allen Landeseinwohnern, Behörden und Gerichten befolgt
werden.
§ 101. d) Verordnungen. Verordnungen, d. h. solche Verfügungen, welche
aus dem allgemeinen Verwaltungs= oder Oberaussichtsrechte der Regierung hervor-
gehen, oder welche die Ausführung und Handhabung der bestehenden Gesetze be-
treffen, erläßt die Landesregierung ohne Mitwirkung der Stände.