Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

Anhang: I. Neue Landschafts-Ordnung für das Herzogtum Braunschweig 5## 102— 108. 161 
  
III. Mitwirkung beim Militärwesen. 
§ 102. Ein größeres, als das durch die Bundesgesetzgebung vorgeschriebene 
Truppenkorps wird ohne Zustimmung der Stände nicht aufgestellt werden. 
Ohne deren Bewilligung kann weder das Truppenkorps, noch eine Abteilung 
desselben in den Dienst eines auswärtigen Staates gegeben werden. 
Gleichfalls ist deren Bewilligung erforderlich, wenn durch Werbung, besonders 
von Ausländern, Truppen gebildet werden sollen. 
IV. Rechte in Beziehung auf Rechtspflege. 
§ 103. a) Unabhängigkeit der Gerichte. Die Stände haben das Recht, auf die 
durch die Landes= und Bundesgesetzgebung festgestellte Unabhängigkeit der Gerichte 
in den Grenzen ihrer Zuständigkeit zu halten. 
Insbesondere wird es den Parteien, welche sich durch landesfürstliche Ver- 
fügungen in der gerichtlichen Verfolgung ihrer Rechte für beeinträchtigt halten, ge- 
stattet, sich an die Ständeversammlung zu wenden, und diese ist befugt, auf die 
Abhilfe der von ihr begründet erachteten Beschwerden bei der Landesregierung an- 
zutragen. 
§ 104. b. Präsentationsrecht zu zwei Ratsstellen im ILanbesgerichte! Obergerichte. 
Die Ständeversammlung hat das Recht, zu zwei Ratsstellen im Herzogl. lLandesgerichte!] 
Obergerichte 1) Kandidaten zu präsentieren. 
Sie wählt diese durch absolute Stimmenmehrheit und ihre Wahl kann auf jeden 
fallen, der ein Richteramt oder ein öffentliches juristisches Lehramt 5 Jahre bekleidet, 
oder 19 Jahre hindurch mit Auszeichnung die advokatorische Praxis betrieben und 
in den beiden letzten Fällen die vorschriftsmäßige Prüfung zur Erlangung des Rich- 
teramtes bestanden hat. 
V. Recht der Vorschläge. 
§ 105. Die Ständeversammlung ist berechtigt, dem Landesfürsten Vorschläge 
zu Gesetzen, Verordnungen, allgemeinen Verfügungen und zur Errichtung öffent- 
licher Anstalten zu machen; diese Vorschläge werden genau geprüft werden, und es 
sollen stets landesfürstliche Entschließungen, und zwar im Ablehnungsfalle mit An- 
führung der Gründe, darauf erfolgen. 
VI. Recht der Mitaufsicht auf die übrigen Landesangelegenheiten. 
§ 106. Die Ständeversammlung ist befugt, wegen bemerkter Mängel oder 
Mißbräuche bei der Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltung der öffentlichen 
Angelegenheiten, Vorträge an die Landesregierung zu richten, und sich über deren 
Abstellung gutachtlich zu äußern. 
§ 1°7. Sie hat das Recht, darüber zu wachen, daß niemand in seinen ver- 
fassungsmäßigen Rechten verletzt, insonderheit ohne gesetzlichen Grund und ohne 
eine ordnungsmäßige Verfügung der kompetenten Polizei= oder Gerichtsbehörde 
verfolgt, verhaftet, bestraft oder sonst an Freiheit oder Eigentum gekränkt werde, 
und sie kann in einem solchen Falle auf Abstellung der Beschwerde und auf Be- 
strafung der Schuldigen bei der Landesregierung antragen. 
VII. Recht der Anklage. 
§ 108. 1. Antrag auf Bestrafung. Die Ständeversammlung kann auf Bestrafung 
der Mitglieder des Staatsministeriums und des ständischen Ausschusses2) antragen, 
welche eine Verletzung der, auf den vorliegenden Fall unzweifelhaft anwendbaren 
Bestimmungen dieses Landgrundgesetzes sich schuldig gemacht haben. 
Ein solcher Antrag muß spätestens binnen sechs Jahren nach eingetretener Ver- 
letzung gemacht werden. 
In Ansehung der dem Staatsministerium untergeordneten Beamten sind der- 
gleichen Anträge von der Ständeversammlung nur dann statthaft, wenn diese Be- 
amten da, wo sie in den Grenzen eigener Verantwortlichkeit handeln, die Ver- 
fassung verletzt zu haben beschuldigt werden, und der Antrag auf Bestrafung bei 
  
1) G. vom 19. März 1850 Nr. 19 5 1, 17. Januar 1870 Nr. 9 F 3. 
2) In letzterer Hinsicht gegenstandslos geworden durch G. vom 9. August 1867 Nr. 64 
(vgl. auch S1G B. Art 11). 
Rhamm, Braunschweig. 11
	        
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