Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

Anhang: I. Neue Landschafts-Ordnung für das Herzogtum Braunschweig 5 191—197. 173 
  
  
des Staatszwecks und zur Erhaltung des Staatswohles unzureichend sind, können 
mit Bewilligung des ständischen Ausschusses 
1. die Steuern erhöht und neue Steuern aufgelegt werden, jedoch nicht 
länger als auf 6 Monate, und 
2. Staatsanleihen bis zu dem Betrage von 100 000 Talern geschlossen 
werden. 
Alle infolge einer solchen Uebereinkunft von der Landesregierung getroffene 
Maßregeln und deren Gründe sind indes sobald als tunlich der Ständeversammlung 
von der Landesregierung vorzulegen. 
Steuerverwilligungen dieser Art hören in dem Augenblicke auf, Kraft zu haben, 
wo die Ständeversammlung ihnen ihre Zustimmung versagt. Staatsanleihen dieser 
Art sind gültig, jedoch kann, wenn eine Bewilligung bis zu dem angegebenen Be- 
trage erfolgt ist, ein neues Anlehen, bevor die Ständeversammlung zusammenbe- 
rufen worden, nicht gemacht werden. 
Darüber: ob die Versammlung der Stände untunlich oder ob Gefahr im Ver- 
zuge sei? — entscheidet die Landesregierung, jedoch unter Verantwortlichkeit sämt- 
licher stimmführenden Mitglieder des Staatsministeriums, von welchen allen daher 
die zu erlassenden Verfügungen zu kontrasignieren sind. 
Siebentes Kapitel. 
Pon der Rechtspflege. 
d6 191. 1. Gerichtsbarkeit. Alle Gerichtsbarkeit geht vom Landesfürsten 
aus. Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit bleibt aufgehoben. 
6 192. 2. Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung. 
Die bürgerliche und Straf-Rechtspflege soll, mit Ausnahme der durch das Gesetz 
den Einzelrichtern überwiesenen Gegenstände, ferner der Handlungen der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit, wie bisher, getrennt von der Landes-Verwaltung, durch kollegialisch 
gebildete Gerichte, in gesetzlicher Instan zenordnung, ausgeübt werden. 
Jeder richterlichen Entscheidung sind die Gründe derselben beizufügen. 
6 103,. 3. Unabhängigkeit der Gerichte. Die Gerichte sind in ihrer 
Amtsführung der landesfürstlichen Oberaufsicht unterworfen, jedoch bei der Beur- 
teilung von Rechtssachen, innerhalb der Grenzen ihrer Kompetenz, unabhängig. Sie 
entscheiden daher in allen Instanzen mit voller Freiheit der Meinungen und wer- 
den in der Ausübung ihres Amtes nötigenfalls durch den Beistand der Zivil= und 
Militärbehörden geschützt. Die Strafurteile der Gerichtshöfe bedürfen keiner Be- 
stätigung des Landesfürsten, lovoch soll die Vollziehung der durch das Gesetz bezeichneten schweren pein- 
lichen Strafen nur nach landesfürstlicher Genehmigung erfolgen!). 
s194. 4. Mitwirkung der Polizeige walt. Die Polizeigewalt, 
selbständig in ihrem Wirkungskreise, leistet zugleich der richterlichen Beistand, bei 
der Sicherung der Rechte der Landeseinwohner und der Vollziehung der Rechts- 
sprüche. Bei Vergehungen verfolgt auch sie den Täter und wirkt mit zur Er- 
mittelung des Tatbestandes. Sie richtet nie über die Tat. 
§s 195. 5. Verwaltungshandlungen. Die Verfügungen aller nicht ge- 
richtlichen, d. h. der Verwaltungsbehörden und Beamten innerhalb des denselben 
angewiesenen, von der Rechtspflege getrennten Wirkungskreises, gehören nicht zur 
Kompetenz der Gerichte, und können in ihrer Ausführung von denselben nicht ge- 
hemmt werden. 
6§ 196. 6. Kompetenz--Konflikte. Die Beurteilung, ob eine Sache 
zum gerichtlichen Verfahren geeignet, gebührt zunächst dem Richter. Erklärt das 
Gericht sich kompetent, während eine Verwaltungsbehörde dessen Zuständigkeit in 
Zweifel zieht, so darf letztere durch einen dem Gerichte zu eröffnenden, die Gründe 
anführenden Einspruch, die weitere gerichtliche Verhandlung hemmen. 
Das Nähere über das in solchen Fällen eintretende Verfahren soll durch ein 
Gesetz bestimmt werden. 
#l197. 7. Entschädigungsklage gegen den Staat. Die Frage, 
  
1) Aufgehoben durch braunschw. St PO. vom 22. August 1849 Nr. 36.
	        
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