Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

86. Regentschaft. 17 
Behinderung am Regierungs antritt, daher ausgeschieden bleiben alle Hinder- 
nisse der Herrschaftsführung, die erst nach der Uebernahme der Regierung in der Person 
des Throninhabers hervortreten, mögen sie auf körperliche oder geistige Unfähigkeit 
oder auf einen Behinderungsgrund anderer Art zurückzuführen, voraussichtlich vor- 
übergehend oder bleibend sein. Auch beschränkt das Gesetz sich ausdrücklich nur auf 
etwaige Behinderungen am sofortigen Regierungsantritt; es ist daher nicht 
anwendbar, wenn ein körperliches oder geistiges Gebrechen den Thronfolger dauernd 
regierungsunfähig macht — hier wird, wie schon bemerkt (S. 14 fg.) die Herrschaft 
endgültig auf den nächstberufenen Anwärter übertragen. 
Liegt nach Ansicht des Staatsministeriums einer der im Regentschaftsgesetz vor- 
gesehenen Behinderungsgründe vor, so wird die Staatsgewalt ausgeübt zunächst als 
provisorische Regierung durch einen Regentschaftsrat, bestehend aus den 3 stimmfüh- 
renden Ministern, dem Präsidenten der (gerade tagenden oder zuletzt verabschiedeten) 
Landesversammlung und dem Präsidenten des Oberlandesgerichts 1), nach Ablauf 
eines Jahres aber, falls inzwischen nicht der Regierungsantritt des Thronfolgers oder 
eines zur Regentschaft (Regierungsvormundschaft — NLO. 818) Berechtigten er- 
folgt ist, durch einen Regenten, den die Landesversammlung auf Vorschlag des Regent- 
schaftsrats aus den volljährigen, nicht regierenden Prinzen der zum deutschen Reich 
gehörenden souveränen Fürstenhäuser wählt 2). Der Regentschaftsrat ist bei Aus- 
übung der Staatsgewalt in einigen Hinsichten beschränkt, namentlich sollen während 
seiner Amtsdauer Verfassungsänderungen nicht stattfinden und Ernennungen von 
Ministern nur für die Dauer dieser Zwischenherrschaft erfolgen. Das Stimmrecht im 
Bundesrat wird durch Anträge bei dem Reichsoberhaupt in einer der R. V. entspre- 
chenden Weise einstweilig geordnet, die für den Bedarf des Landesfürsten verfassungs- 
und vertragsmäßig festgestellte Summe wird fortgezahlt und über deren Verwendung 
„mit tunlichster Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse“ Bestimmung getroffen, 
vorbehältlich der mit der Landesversammlung je zu schließenden Vereinbarung über 
etwaige Ueberschüsse. Der den Regentschaftsrat ablösende, gewählte Regent übt die 
Staatsgewalt „mit allen Rechten und Pflichten eines Regierungsvormundes“, also 
gleich dem Landesfürsten selbst aus. Nach dem zur Ergänzung des Regentschafts- 
gesetzes erlassenen G. vom 12. Februar 1886 Nr. 9 werden auch die Huldigungseide 
nur dem Regenten geschworen — eine Anordnung, die zwar nach Lage der politischen 
Verhältnisse, welche zum Erlaß des Regentschaftsgesetzes geführt haben, zweifellos 
gerechtfertigt war, auch der Absicht des Gesetzes, alle künftigen Fälle einer Regentschaft, 
abgesehen von dem der eigentlichen Regierungsvormundschaft, völlig gleichmäßig zu 
regeln, entspricht, in ihrer Allgemeinheit aber gegenüber den anerkannten Grundsätzen 
des gemeinen Staatsrechts eine bemerkenswerte Singularität in sich schließt 3). 
  
1) Bei Behinderungen von „längerer Dauer“ treten für die beiden Präsidenten deren Ver- 
treter auf Berufung des Regentschaftsrates ein. 
2) Nach Analogie der Bestimmung in § 19 der NLO. S. oben S. 15. 
3) Vergl. darüber, wie über andere, die „staatsrechtliche Neubildung“ des Reg.-Gesetzes 
betreffende Fragen: Kulemann, im Alch. für öffentl. Recht Bd. 16 S. 485 fg. Francke, 
ebend. Bd. 17 S. 473 sgg. Rehm, modern. Fürstenrecht S. 302, 422 fg. 438. Denkschrift 
des braunschw. Staatsministeriums vom 3. März 1902 (Drucksachen des 26. ord. LT. Anl. 51). 
Dedekind, die Regentschaft für den, welchen es angeht. Werbrun, Entstehung und 
Rhamm, Braunschweig. 2
	        
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