8 10. Das Wahlrecht. 25
artigen Zusammensetzung der Landesversammlung haben dabei die Voraussetzungen
der Wahlberechtigung für die Wahlkörper der Stadt- und Landgemeinden einerseits
und der Berufsstände andererseits nach abweichenden Grundsätzen bestimmt werden
müssen. Nach dem WG. vom 30. November 1851 waren bei den allgemeinen
Wahlen für Stadt= und Landgemeinden als Wahlmänner berufen die Mitglieder
der Gemeindevertretungen (Stadtmagistrat und Stadtverordnete, auf dem Lande
die Gemeinderäte) im Verein mit einer bestimmten Anzahl besonders zu wäh-
lender Gemeindegenossen. Das neuere Gesetz hat die Vertretung der Gemeinde-
organe beseitigt. Sämtliche Wahlen sind mittelbare und zwar haben als Urwähler
das Recht der Wahl in den Städten die nach der St O. wahlberechtigten Bürger, auf
dem Lande die nach der LGO. zur Vornahme der Gemeindewahlen berechtigten
Gemeindegenossen (s. darüber §3 19). Dem Preußischen System entsprechend sind die
Wahlberechtigten nach dem Maße der von ihnen aufgebrachten direkten Gemeinde-
steuern in drei Klassen geteilt. Um aber jenem System die „plutokratische Spitze“ zu
nehmen, bestimmt das Gesetz, daß der ersten Klasse mindestens 50, der zweiten min-
destens 200% der Gesamtheit der Wahlberechtigten angehören müssen. In der Stadt
Braunschweig entfallen auf jedes angefangene Tausend, in den übrigen Städten auf
jedes angefangene Halbtausend der Einwohner 3 Wahlmänner. In den Landgemeinden
sind deren je nach einer bis zu 750, 1500, 2500 oder mehr Köpfen zählenden Bevöl--
kerung 3, 6, 9 oder 12 zu wählen und zwar so, daß jede Klasse für sich die gleiche Zahl
von Wahlmännern zu wählen hat. Bei diesen Wahlen entscheidet einfache Stimmen-
mehrheit. Sie haben Gültigkeit für die ganze Landtagswahlperiode. Nach einer
Auflösung des Landtags werden daher sämtliche Wahlmänner neu gewählt. Die
Wahlmänner aller 3 Klassen wählen vereint den Abgeordneten 1). — Im Gegensatz
zu diesen Bestimmungen erfolgen die Wahlen der Berufsstände unmittelbar durch die
einzelnen Wahlkörper. Allgemeine Vorbedingungen für Ausübung des Wahlrechts
sind hier: Braunschweigische Staatsangehörigkeit, männliches Geschlecht, Alter von min-
destens 25, bei dem Wahlkörper der wissenschaftlichen Berufsstände von mindestens
35 Jahren, Wohnsitz im Herzogtum seit mindestens einem Jahr, Besitz der bürgerlichen
Ehrenrechte, Verfügungsfähigkeit über Person und Vermögen. Besondere Voraus-
setzungen: bei den Großgrundbesitzern ein Eigentum von einem Grundsteuerkapital zu
— in der Regel — mindestens 6000 M. l(ohne Rücksicht auf Wohnhäuser), bei den
Gewerbetreibenden ein Geschäftsbetrieb, veranlagt zu einer jährlichen Gewerbesteuer
von wenigstens 96 M., bei den höchstbesteuerten Einkommensteuerpflichtigen ein in der
Stadt Braunschweig zu mindestens 10 000, in den übrigen Wahlkreisen zu wenigstens
9000 M. zur Staatseinkommensteuer abgeschätztes Jahreseinkommen (WW. 6, 7, 9).
Bei den wissenschaftlichen Berufsständen hat man jetzt vom Erfordernis eines bestimm-
einfacher Stimmenmehrheit abzuändern), doch hat die grundlegende Bestimmung desselben (in-
direktes Wahlverfahren nach dem Dreiklassensystem) Aufnahme in das Verf.G. über die Zu-
sammensetzung des Landtages (vom 6. Mai 1899 Nr. 31 8) gefunden.
1) Reformvorschläge, welche auf dem gegenwärtigen Landtage von der Landesversamm-
lung bei der Regierung eingebracht worden sind, bezwecken die Beseitigung der indirekten
Wahlen (doch unter Aufrechterhaltung der Klassenwahlen) und Einführung eines ganz ein-
seitig, lediglich nach dem Maße der von den Wählern zu erlegenden Gemeindesteuern ab-
gestuften Pluralstimmrechts. Die Zahl der Wähler der 1. Klasse soll auf 10% der gesamten
Wahlberechtigten erhöht werden, der Wähler der 1. Klasse 3, der 2. Klasse 2, der 3. Klasse
eine Stimme führen.