34 Zweiter Abschn. Die Organisation. II. Die Behörden. 815.
das Staatsministerium, Abteilung für Justiz, die zuständige Stelle bildet. Dem
Oberstaatsanwalt hat das Gesetz vom 27. Januar 1880 Nr. 2 auch die obere Leitung
und die Beaufsichtigung sämtlicher Straf= und Gefangenenanstalten des Landes
überwiesen 1); er ist im Gegensatz zu den Staatsanwälten ein nicht-richterlicher
Beamter — ein Unterschied, der namentlich hinsichtlich der Gestaltung des Disziplinar=
verfahrens von Bedeutung ist. Mit dem Amt des Staatsanwalts kann nur be-
auftragt werden, wer bereits ein ständiges Richteramt bekleidet oder gleichzeitig
mit der Beauftragung ohne Anweisung einer bestimmten Richterstelle zum Richter
ernannt wird. Richter sind zur Annahme des Auftrages nicht verpflichtet. Die
Staatsanwälte beziehen gleiches Gehalt, wie die Amts= und Landrichter, und
können eine besondere Stellen zulage erhalten. Auf die Unversetzbarkeit der Richter
haben sie keinen Anspruch. Amtsanwälte werden von der Landesjustizverwaltung
auf Widerruf bestellt, nach Lage des Falls unter Zubilligung einer Vergütung.
Die Amtsrichter sind zu zeitwilliger Aushilfe bei anderen Amtsgerichten und bei
dem Landgericht, die Landrichter zur aushilfsweisen Besorgung einzelner einem
Amtsgericht obliegenden Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sowie zur
dauernden Uebernahme derartiger Geschäfte bei dem Amtsgericht ihres Wohnsitzes,
die Amts= und Landrichter zur zeitweiligen Vertretung eines Mitgliedes des
Oberlandesgerichts verpflichtet. Auch in den der ordentlichen streitigen Gerichts-
barkeit nicht angehörenden Angelegenheiten haben die Gerichte einander nach
Maßgabe der Bestimmungen des GVG. (§ 158 fg.) Rechtshilfe zu leisten und
sämtliche Gerichte, wie Staatsanwaltschaften sind gehalten, über Fragen der Ge-
setzggebung oder der Justizverwaltung auf Verlangen der Aufsichtsbehörden sich
gutachtlich auszusprechen.
In Betreff der Prüfungen, deren Ablegung zum Richteramt (zugleich auch zur
Staatsanwaltschaft, Rechtsanwaltschaft und zum Notariat) befähigt, sowie hinsichtlich
des Vorbereitungsdienstes der Rechtskandidaten hat das Gesetz vom 1. April 1879
Nr. 14 (mit Abänderungen vom 23. August 1901 Nr. 43) die näheren Ausfüh-
rungsbestimmungen zu den im 5 2 des GVG. aufgestellten allgemeinen Grund-
sätzen getroffen. Die vorgeschriebenen beiden Prüfungen werden abgehalten von
einer aus einem Präsidenten und 4 Mitgliedern (neben höheren Justizbeamten
geeignetenfalls auch Rechtsanwälten) mit widerruflichem Auftrage zusammengesetzten,
seitens der Landesregierung ernannten Kommission. Ueber das Verfahren bei
den Prüfungen sind genaue Vorschriften erlassen 2). Nach der ersten Prüfung
hat der Bestandene als Referendar eine Vorbereitungszeit von 3 ½ Jahren im
praktischen Justiz= und Verwaltungsdienst und bei einem Rechtsanwalt zurückzulegen
und wird dann zu einer zweiten Prüfung wesentlich praktischen Charakters zu-
1) Die unmittelbare Verwaltung der Landesstrafan stalt zu Wolfenbüttel, in welcher Zucht-
hausstrafen sowie Gefängnisstrafen von mehr als 6 Wochen verbüßt werden, führt ein besonderer
Direktor, die des Kreis= und Untersuchungsgefängnisses zu Braunschweig ein vom Staatsministe-
rium angestellter Beamter (im Nebenamt), die der Amtsge fängnisse außerhalb der Städte Braun-
schweig und Wolfenbüttel der erste Amtsrichter. Ueber Strafvollziehung im Zellengefängnis:
VO. vom 21. Okt. 1873 Nr. 53. — Ueber die Befugnis der Gesängnisbramten zum Waffenge-
brauch: G. vom 28. Jannar 1907 Nr. 8 (im wesentlichen den preuß. Vorschriften entsprechend).
2) Instruktionen vom 18. Aug. 1879 Nr. 50, vom 30. Juli 1896 Nr. 48, vom 5. Juli 1897
Nr. 43 u. vom 2. Oktober 18909 Nr. 82.