821. Gesetz und Verordnung. 65
denen jetzt Haft bis zu sechs Wochen oder Geldstrafen bis zu 150 M. gleich geachtet
werden), die Landesversammlung nur mit Rat und Gutachten zu hören.
Kommt ein höheres Strafmaß in Frage, so bedarf es wiederum ihrer Zustim-
mung (NLO. #99). Landespolizeiwesen im Sinne der NLO. umfaßt das ge-
samte Gebiet der inneren Verwaltung, Sicherheitspolizei wie Wohlfahrtspflege.
Der Ausschuß hat bei der Gesetzgebung mitzuwirken entweder auf Grund
besonderer ihm von der Landesversammlung erteilter Vollmacht (NLO. 126) oder
kraft eigener Zuständigkeit. Ersterenfalls liegt die verfassungsmäßig der Bevoll-
mächtigung gezogene Grenze darin, daß ohne Zustimmung der Landesversamm-
lung selbst weder eines der mit der NLO. erlassenen Gesetze (ganz abgesehen von
der NLO. selbst und deren Ergänzungen) ergänzt, erläutert oder abgeändert, noch
eine „organische Staatseinrichtung“ getroffen oder verändert werden darf (NLO.
*122, welcher die dritte Klasse der im § 98 genannten Gesetze (über Finanz= und
Steuerwesen) nicht mit erwähnt). Kraft eigener Zuständigkeit des Ausschusses kön-
nen mit dessen Zustimmung erlassen werden einmal die einzelnen, nicht unter die
Kategorien des § 98 der NLO. fallenden Gesetze (jedoch nicht „ganze Gesetzbücher“:
NLO. F 121), sodann aber auch Gesetze der unter Nr. 3 dort bezeichneten (oben an-
gegebenen) Art, diese jedoch nur, sofern „das Staatswohl dringende Eile gebietet
oder der vorübergehende Zweck des Gesetzes durch Verzögerung vereitelt würde“ —
Voraussetzungen, über deren Vorhandensein die Landesregierung unter Verantwort-
lichkeit sämtlicher stimmführender Mitglieder des Staatsministeriums entscheidet
(NLO. 5 120). Solche „Notgesetze“ sind der Landesversammlung selbst „baldigst“
zur Genehmigung vorzulegen und treten bei deren Versagung ohne weiteres außer
Wirksamkeit. Gesetze, bei denen die Landesversammlung nur mit Rat und Gut-
achten zu hören sein würde, können auch mit Rat und Gutachten des Ausschusses
erlassen werden, mit Ausnahme einer allgemeinen Polizeiordnung (NLO. 7F 123).—
Verordnungen, d. h. „solche Verfügungen, welche aus dem allgemeinen Ver-
waltungs= oder Aufsichtsrecht der Regierung hervorgehen oder welche die Ausfüh-
rung und Handhabung der Gesetze betreffen“ (NLO. § 101), also dem Wortlaut
nach Rechts-, wie Verwaltungsverordnungen, erläßt die Landesregierung 1) ohne
Mitwirkung der Stände.
Allgemeine „Polizeiverordnungen“ — polizeiliche Strafverbote mit verbindlicher
Kraft für den ganzen Bereich des Herzogtums — sind dem braunschw. Staats-
recht unbekannt. Erlasse solcher Art unterliegen den Formen des Gesetzes 2).
„Kein Landesgesetz und keine Verordnung tritt in Kraft, bevor sie von der
Landesregierung verkündigt sind"“ (NLO. 5). Die Form der Verkündigung
anlangend, sollen die Gesetze in ihrem Eingang der erfolgten Zustimmung oder
Begutachtung der Landesversammlung bz. des Ausschusses ausdrücklich Erwähnung
1) Der in der NLO. öfters wiederkehrende Ausdruck bezeichnet „den Landesfürsten in seiner
verfassungsmäßigen Funktion"“ (Otto, Staatsrecht S. 103 Anm. 5). — Die Befugnis zum
Erlaß von Verordnungen steht, — abgesehen von den Fällen einer gesetzlichen Delegation —
weder dem betreffenden Abteilungsministerium, noch dem Gesamtministerium zu.
2) Ueber örtliche Polizeiordnungen und Statutarautonomie der Gemeinden und Kreis-
kommunalverbände vgl. § 19 und 20.
Rbamm, Braunschweig. 5