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schaftlichen Laboratoriums“ — im Reich lediglich einen konstitutionellen Staaten-
bund erblickt, ein völkerrechtliches Sozietätsverhältnis unter einer Reihe souve-
räner Einzelstaaten. Auf der anderen Seite die noch immer vorherrschende,
zunächst und hauptsächlich durch Hänel und Laband begründete Lehrmeinung,
zufolge deren das Reich als Bundesstaat ein von den Gliedstaaten unterschiedenes,
eigenes Rechtssubjekt darstellt und mittels seiner Verfassung, namentlich vermöge
des Art. 78 derselben („Kompetenz-Kompetenz“) die gesamte Rechtssphäre der
Einzelstaaten „zu seiner Disposition gestellt“, die Einzelstaaten sonach aber
ihrer Souveränetät entkleidet und der einheitlichen und unteilbaren Souveränetät
des Reiches untergeordnet hat.
2) Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820, Art. 57: „Da der Deutsche
Bund, mit Ausnahme der freien Städte, aus souveränen Fürsten besteht, so“
muß dem hierdurch gegebenen Grundbegriff zufolge die gesamte Staatsgewalt
vereinigt bleiben, und der Souverän kann durch eine landständische Verfassung
nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände ge-
bunden werden.“ Damit ist einmal zurückgewiesen Montesquieus Lehre von
der Gewaltenteilung, die von den Verfassungen namentlich des republikanischen
Frankreichs aufsgenommen war, und zugleich zum Ausdruck gebracht das so-
genannte „monarchische Prinzip“, im Gegensatz des „parlamentarischen“ oder
„demokratischen“. Die praktische Folgerung aus jenem Satze liegt darin, daß
der Landesherr bei Ausübung der Staatsgewalt die Vermutung der Berechtigung
für sich hat: „Es stehen ihm alle Hoheitsrechte zu, welche ihm nicht ausdrücklich
entzogen, der Volksvertretung dagegen nur die, welche ihr ausdrücklich über-
tragen sind“ (G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 5. Aufl., S. 16
und 227). Uberhaupt ist „nach der Auffassung des deutschen Staatsrechts die
Aufgabe der Landstände nicht, zu herrschen, sondern beschränkend zu dem herr-
schenden Willen des Monarchen hinzuzutreten, so daß dieser erst zur rechtlichen
Existenz gelangt, wenn er da, wo es die Verfassung fordert, den Willen der
Landstände in sich ausgenommen hat" (v. Gerber, Grundzlge eines Systems
des deutschen Staatsrechts, 3. Aufl., S. 126).
8) Im Prädikat „heilig“ ist kein rechtliches Attribut enthalten. Über
die doppelte Bedeutung der „Unverletzlichkeit“ des Landesherrn: G. Meyer,
Staatsrecht, 5 84, S. 227f. — Princeps legibus solutus est? Zeitschrift
für Rechtspflege, Bd. 33, S. 11. Vgl. auch Passow in Zeitschrift für die
gesamte Staatswissenschaft, Bd. 59, S. 164. — Die Vorschriften des Bürger-
lichen Gesetzbuches finden in Ansehung der Landesherren und der Mitglieder
ihrer Familien nach Art. 57 des Einf.-Gesetzes nur insoweit Anwendung, als
nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze ab-
weichende Bestimmungen enthalten. Vorschriften dieser Art: N. L.-O. § 15, 22;
Hausgesetz vom 19./24. Oktober 1831, § 1. — In vermögensrechtlichen
Streitigkeiten hat der Landesherr vor den ordentlichen Gerichten des Landes
Necht zu nehmen; ein besonderer Gerichtsstand, wie er im § 5 des Einf.-Ge-
setzes zum deutschen Gerichtsverfassungsgesetze vorbehalten ist, besteht im Herzog-
tum nicht. Klagen aus Ansprüchen gegen die Hofstatt sind, soweit nicht ein-